Finanzen im Tanzsport – Wird Gardetanz bald zum Elitesport?
von Sabrina Pachl
Polo, Golf oder Ballett – diese drei Sportarten tragen oft das Klischee des Elitesport mit sich. Turnen, Volleyball und Co. wird eine finanziell vermeintlich untergeordnete Rolle zugeordnet. Und Gardetanz?
Tja… der Gardetanz. Wozu sortieren wir unseren Tanzsport? Gibt es diese klassische Einordnung in teuren und günstigen Sport überhaupt? Wofür wird das Geld gebraucht?
Besonders nach finanziell anstrengenden Jahren für die Vereine können viele ihre Mitglieder nicht mehr so stark unterstützen wie in den Jahren zuvor. Aber auch die Tänzer:innen oder ihre Eltern wurden eventuell stark gebeutelt und müssen ihre Ausgaben eventuell stärker als zuvor kontrollieren.
Auf der anderen Seite ist der Nachwuchs die Zukunft eines jeden Vereins. Wie kann man hier also eine Lösung finden, Tänzer:innen zu gewinnen bzw. zu behalten, sie aber finanziell nicht zu stark zu belasten.
Inflation macht auch vor dem Tanzsport kein Halt
Nicht nur Deutschland befindet sich derzeit in einer wirtschaftlich schwierigen Phase. Die Inflation nimmt stetig zu und weltweite Einschränkungen des Handelsverkehrs durch Kriege oder eingeschränkte Handelsbeziehungen erschweren den Einkauf von Waren.
Wurden viele Stoffe, Garne oder Pailletten in fernen Ländern zu überschaubaren Kosten produziert, so sind genau diese Handelsbeziehungen derzeit gestört. Im vergangenen Jahr traf es somit viele Tanzgruppe, die neue Kostüme anfertigen (lassen) mussten schwer und riss Löcher in die Vereins- und Gruppenkassen. Auch Strumpfhosen, Bodys oder Hüte haben eine beträchtliche Preissteigerung am Markt erlebt.
Bleyer insolvent – Schocknachricht für viele Tänzer
Am härtesten traf die zurückliegende Pandemie wohl den größten Hersteller von Tanzschuhen – Bleyer. Vor einigen Monaten musste die beliebte Firma Insolvenz anmelden. Zwar konnten die Produktionslinien von einer anderen Firma aufgekauft werden, sodass wir weiterhin die bekannten Tanzschuhe beziehen können.
Allerdings fällt mit dem Wegfallen der Firma Bleyer ein wichtiger Konkurrent am Tanzsport-Markt weg. Nachfrage und Angebot bestimmen den Preis – leider steckt viel Wahres in diesem allseits bekannten Spruch. Wie erwartet stiegen die Preise für Tanzschuhe weiterhin.
EU verbietet Mikroplastik – Glitzer in Gefahr?
Für die nächste Karnevalssession werden viele Tanzgruppen in Sachen Schminke umdenken müssen und nach Alternativen schauen. Die EU hat ein Verbot von Mikroplastik ausgesprochen, welches jedoch in fast allen gängigen Glitzerprodukten enthalten ist.
Eine Produktion ähnlicher Produkte ist problemlos möglich, allerdings wissen wir alle, dass jede Umstellung von Produktionslinien mit weiteren nicht unerheblichen Kosten in Verbindung steht. Einige Herstellen haben sich bereits vor Monaten darauf eingestellt und haben vorgesorgt, sodass bereits jetzt Produkte ohne Mikroplastik im Verkauf zu erhalten sind.
Aber dieser Prozess steht im Zusammenhang mit weiteren Preissteigerungen. Aber was ist die Alternative? Ein Auftritt ohne Glitzer? Wohl für uns alle undenkbar.
Fakten auf den Tisch – was kostet es mich, bei euch mitzutanzen?
Jeder Verein freut sich über neue Mitglieder, denn davon leben sie. Viele Tanzgruppen hatten bereits nach der Coronapause mit erheblichen Personalproblemen zu kämpfen. So langsam merkt man, dass sich alles wieder in eine erfreulichere Richtung entwickelt: inaktive Mitglieder werden wieder aktiv und neue Mitglieder kommen hinzu.
Neue Mitglieder… nach dem ersten Probetraining und einer kurzen Vorstellungsrunde kommt nicht selten die Frage:
„Und welche Kosten kommen auf mich zu?“
„Ach, das ist nicht viel. Der Jahresbeitrag an Verein. Dann der monatliche Beitrag in die Gruppenkasse für gemeinsame Aktivitäten. Ach, die Leihgebühr fürs Kostüm. Und dann halt so ein paar Kleinigkeiten wie Schuhe, Strumpfhose usw.“, ist oft die Antwort.
Jahresbeitrag 15€
Gruppenkasse (10€/Monat) 120€
Leihgebühr Kostüm 40€
Strumpfhosen (2 Stück) 25€
Kunstzöpfe 15€
Hut (einfachste Ausführung) 40€
Body (2 Stück) 80€
Spitzenhöschen 25€
Petticoat 25€
Tanzschuhe 45€
Ausgehstiefel 125€
________________________
Summe: 555€ pro Jahr
Bei diesen Berechnungen beziehe ich mich auf den Bedarf einer Brauchtumsgarde mit 3-4 Auftritten je Session. Rechnet man nun noch den Spritbedarf hinzu, den die Tänzer:innen gegebenenfalls aufbringen müssen, um zu den Auftritten oder den Trainingseinheiten zu kommen, falls sie nicht anders zu erreichen sind, so merkt man schnell, wie sich die Kosten summieren.
Ein günstiges Hobby ist der Gardesport sicherlich nicht mehr.
Ist Gardesport also noch ein Elitesport?
Sollest du dir gerade am Überlegen sein, mit dem Gardetanz anzufangen und bist nun schockiert von den Kosten, die auf dich zukommen? Dann lies bitte erst einmal weiter. Nicht immer muss man auf all diesen Kosten sitzen bleiben.
Über 500€ für ein Hobby aufzubringen, kann nicht jeder leisten. Geht man davon aus, dass es sich beim Tanzsport um das Hobby des Kindes handelt, so bleibt es bei vielen Familien nicht nur bei dem einfachen Beitrag. Das Geschwisterkind oder die Geschwisterkinder, werden sicherlich ebenso kostspieligen Hobbys frönen wollen. Schnell ist eine Familie hier jährlich im vierstelligen Bereich.
Second Hand im Tanzsport – das freut auch die Umwelt
Viele ehemalige Tänzer:innen oder deren Eltern sind froh, wenn sie getragenes aber gut erhaltenes Gardetanzequipment für einen geringen Obolus weiterverkaufen können. So ergibt sich eine klassische Win-Win-Situation: Du kannst Geld sparen und der Verkäufer bessert seine Kasse etwas auf.
Auch die Umwelt wird dir dankbar sein, denn warum sollten Ausgehstiefel, die eventuell nur wenige Male getragen wurden, in den Müll geworfen werden, wenn du sie doch für kleines Geld abkaufen könntest. Auf Facebook gibt es Gruppen, in denen Garde- aber auch Showtanzkleidung weiterverkauft wird.
Manchmal hast du auch bei Ebay-Annoncen Glück. Wichtig ist, dass du frühzeitig anfängst, auf Anzeigen zu achten, denn diese Artikel sind heiß begehrt.
Zauberwort: Sponsoring
Hilfe finden Vereine oder Tänzer:innen oft bei ortsansässigen Firmen. Viele Banken und Sparkassen aber auch private Firmen haben ein gewisses Budget zum Unterstützen der Jugendarbeit oder der Traditionspflege.
Gegen einen Artikel in der örtlichen Zeitung oder einem Social-Media-Beitrag mit entsprechender Reichweite sind sie oftmals gewillt die Vereine zu unterstützen. Vielleicht könnt ihr hier den einen oder anderen Euro bekommen.
Bezahlte Auftritte
Besonders in der Karnevalszeit aber auch im Sommer zu Stadtfesten oder gar Firmenfeiern werden Tanzgruppen gerne gebucht. Hier könnt ihr euch ein wenig Geld für eure Gruppekasse hinzuverdienen und dann beispielsweise Teile eurer Uniform hiervon bezahlen. Vielleicht schafft ihr es ja, eure Strumpfhosen dadurch zu finanzieren. Das wäre ja schonmal ein Anfang.
Zu Beginn wird es nicht ganz einfach sein genug bezahlte Auftritte zu ergattern, sodass es sich wirklich bemerkbar lässt. Lasst den Kopf aber nicht hängen und macht Werbung hierfür. Du wirst sehen, mit der Zeit werdet ihr immer mehr bezahlte Auftritte bekommen und somit eure Gruppenkasse spürbar aufbessern können.
Finanzielle Unterstützung durch die Kommune
Viele Kommunen unterstützen einkommensschwache Familien, bzw. deren Kinder, indem sie Kosten bei Vereinen übernehmen. So ermöglichen sie auch diesen Kindern einem Hobby, unabhängig von dem finanziellen Aufwand nachgehen zu können.
Natürlich ist dieser Weg mit etwas bürokratischem Aufwand verbunden, allerdings übernimmt der kommunale Träger vollumfassend die anfallenden Kosten.
Finanzen sind wichtig, Lösungen aber wichtiger
Wird der Gardetanzsport also zum Elitesport? Man kann die Preissteigerungen, die uns alle im Tanzsport getroffen haben, nicht schönreden. Auch fallen die Kosten, die wir alle aufbringen müssen, nicht mehr unter Kleinigkeiten.
Aber du siehst, es gibt auch hierfür Lösungen: Von Sponsoring über bezahlte Auftritte bis hin zu Subventionen durch die Kommune. Eine Lösung wird sich immer finden. Nach den vergangenen schwierigen Jahren sollten alle gemeinsam versuchen Lösungen zu finden. Der finanzielle Aspekt darf kein Hindernis sein, dass Tänzer:innen verloren gehen oder sich den Einstieg in das Hobby nicht leisten können.
Dafür macht es doch einfach zu viel Spaß!
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!