Warum Armkraft im Gardetanz unterschätzt, aber unverzichtbar ist
Im karnevalistischen Tanzsport liegt der Fokus oft auf Sprungkraft, Beinarbeit und Beweglichkeit. Verständlich, schließlich fallen Spagate, Beine auf Kopfhöhe und akrobatische Sprungelemente sofort ins Auge.
Doch wer dabei die Bedeutung von Armkraft und der Schulter-Rumpf-Verbindung (sogenannte „Shoulder-Core-Connection“) unterschätzt, verschenkt enormes tänzerisches Potenzial und riskiert im schlimmsten Fall sogar Verletzungen.
„Ich tanze doch, keine Klimmzüge!“
Ein weitverbreiteter Irrtum (bitte nicht wörtlich nehmen 😉)
Viele Tänzer*innen, vor allem in klassischen „Dorfgarden“, empfinden Krafttraining für die Arme als unnötig oder gar „unpassend“ für den Tanzsport. Schließlich sind es die Beine, die sichtbar arbeiten: springen, heben, balancieren.
Doch wer denkt, Armkraft sei nur für Akrobatik oder Männerballett relevant, verkennt, wie zentral Stabilität, Körperspannung und Haltung im Tanz sind.
Die Arme sind nicht nur schmückendes Beiwerk. Sie stabilisieren, führen Bewegungen, bringen Ausdruck und sind ein verlängerter Teil des Rumpfes.
Vor allem bei kraftvollen, schnellen Schrittkombinationen, exakten Posen und akrobatischen Einlagen (z. B. Radschlag, Handstand, Standwaage) zeigt sich schnell: Ohne starke Schultergürtelmuskulatur und einen aktiven Core bricht das Bewegungsbild in sich zusammen.
Was ist die „Shoulder-Core-Connection“ überhaupt?

Die Shoulder-Core-Connection: Eine funktionelle Verbindung zwischen Schultergelenken, Schulterblatt, Rumpfmuskulatur und Becken.
Die Shoulder-Core-Connection beschreibt die funktionelle Verbindung zwischen Schultergelenken, Schulterblatt, Rumpfmuskulatur und Becken. In dieser Verbindung steckt ein fein abgestimmtes Zusammenspiel von Kraft, Beweglichkeit und Koordination.
Sie ermöglicht dir:
- exakte Körperspannung und Isolation von Bewegungen
- stabile, kontrollierte Armbewegungen auch in Sprüngen
- eine gesunde Haltung und Aufrichtung (gerade im Marsch und bei der Präsentation)
- sichere Ausführung von akrobatischen Elementen (Handstand, einarmiges Rad, normales Rad, etc.)
Die besten Tänzer*innen erkennt man oft nicht an der extremsten Dehnung, sondern an der Präzision und Körperkontrolle. Genau das entsteht durch eine stabile Schulter-Rumpf-Achse.
Warum ist Armkraft dabei so entscheidend?
Armkraft ist nicht gleich Bodybuilder-Muckis. Es geht vielmehr um funktionelle Kraft, also die Fähigkeit, deinen Körper mit Hilfe der Arme zu stabilisieren, zu führen und gegen die Schwerkraft zu halten.
Ein paar Beispiele:
- Handstand: Nur mit starker Schulter- und Armmuskulatur kannst du deinen Körper exakt ausrichten. Der Core hält, die Schultern stützen.
- Einarmiges Rad: Hier entscheidet die Fähigkeit, die Schulter zu stabilisieren und den Rumpf präzise anzusteuern, über Kontrolle oder Chaos.
- Hebefiguren: Sowohl Hebende als auch Gehobene profitieren von einer aktiven Arm- und Schulteransteuerung, um sicher, elegant und kraftvoll zu agieren.
Wie überzeugt man die klassische Dorfgarde abseits vom Leistungsdruck der Tuniere?

Wie wäre es mit einer Handstand-Challenge im Training – Wer hält am längsten?
Einfaches Argument: Wer mehr Körperspannung will, braucht mehr Kontrolle. Und die kommt aus dem Rumpf UND den Armen. Nicht nur aus Beinen und Stretching.
Trainingsansätze einbauen, die Spaß machen:
- Partnerübungen für Schultern und Core
- Animal Moves (z. B. Bear Walk, Crab Walk)
- Plank-Variationen mit Armbewegungen
- Oder ganz simpel Arme gestreckt zur Seite oder nach oben isometrisch für mehrere Minuten halten
- Rhythmische Übungen mit Gewicht (z. B. kleine Hanteln, Therabänder)
Wirkung sichtbar machen:
Lass Tänzer:innen kleine Tests machen, z. B. einen Handstand oder ein Halteelement vor und nach gezieltem Schulter-/Core-Training über ein paar Wochen. Der Unterschied wird sie selbst überzeugen.
Die Wichtigkeit der Arm-Schulter-Core-Connection im Tanzsport
Die Arm-Schulter-Core-Connection beschreibt das funktionelle Zusammenspiel von:
- den Armen (v. a. Oberarme und Unterarme),
- dem Schultergürtel (Schulterblatt, Schlüsselbein, Schultergelenk, Rotatorenmanschette),
- und dem Core (tiefe Rumpfmuskulatur: Bauch, unterer Rücken, Beckenboden, Zwerchfell).
Diese Verbindung ist keine statische Struktur – sie ist ein dynamisches Kraftübertragungssystem, das Stabilität, Kontrolle und Ausdruck in jede tänzerische Bewegung bringt.
Warum ist diese Verbindung so essenziell im Tanz?
Stabilität bei jeder Bewegung

Stabile Arme machen das Bild insgesamt sauber.
Ob Sprung, Drehung oder Pose, dein Körper braucht eine „Mitte“, um Bewegungen zu koordinieren. Diese Mitte ist dein Core. Doch ohne funktionierende Schultern und Arme verpufft die Kraft.
Beispiele:
- Beim Radschlag oder Handstand brauchst du Druck nach unten über deine Hände, aber auch Spannung aus dem Rumpf, um nicht einzuknicken. Fehlt die Ansteuerung, wird’s wackelig, gefährlich und technisch unsauber.
- Ihr legt in der Garde in einer Keisformation die Arme aufeinander und haltet euch an den Schultern eurer Nebenperson. Der Kreisbewegt sich, ihr tanzt z.B. 16 Takte in diesem Kreis und bereits dabei klagen eure Tänzer*innen über Schulterschmerzen. Es fehlt, ganz klar, die Haltekraft über die Schulter/Armmuskulatur. Diese wird nur besser und die Formation leichter zu tanzen, wenn ihr eure Arme und Schultern mit trainiert.
Bewegungskontrolle & Präzision
Tanz ist nicht nur Bewegung – Tanz ist kontrollierte Bewegung. Und Kontrolle entsteht durch gezielte Muskelansteuerung.
Die Schultern dienen dabei als Drehscheibe zwischen Armen und Rumpf, ohne deren aktive Anbindung an den Core bleiben Bewegungen „lose“ oder unpräzise.
Besonders sichtbar z. B. in schnellen Armkombinationen im Marsch oder bei synkopierten Bewegungswechseln: Wer den Arm nur „hebt“, statt ihn aus der Mitte zu führen, verliert Körperspannung.
Kraftübertragung
Ohne eine stabile Schulter-Rumpf-Connection kommt die Kraft aus dem falschen Bereich.
Beispiel: Beim Einarmigen Rad muss dein Körpergewicht über die Hand → Schulter → Core → gegenüberliegende Hüfte fließen. Wenn diese Kette unterbrochen ist (z. B. weil der Core nicht hält), ist die Technik ineffektiv und verletzungsanfällig. Noch dazu sieht die Ausführung unsauber aus.
Ausdruck & Bühnenpräsenz
Starke Tänzer:innen strahlen nicht nur mit den Beinen. Ihre Armführung, Haltung und Körperspannung entsteht aus einem klar angebundenen Schultergürtel, der aus der Körpermitte arbeitet.
So wirken Bewegungen „groß“, „klar“ und „souverän“ – auch wenn sie klein sind. Das erzeugt mehr Ausdruck und Bühnenpräsenz.
Wissenschaftlich belegt: Warum Schulter & Core zusammenspielen müssen
Laut Myers (2014) in „Anatomy Trains“ verlaufen fasziale Ketten wie die „anterior und posterior oblique sling systems“ schräg über Schulter und Rumpf, sie übertragen Kraft diagonal über den Körper.
Das heißt: Schulterbewegungen sind immer mit Core-Aktivität verbunden, z. B. beim Über-Kopf-Arbeiten, Drehen oder Abfangen von Sprüngen.
- Eine Studie von Borresen & Lambert (2008) zeigt, dass instabiler Core zu schnellerer Ermüdung und Verletzungsrisiko führt, weil andere Muskelgruppen (z. B. Arme, Nacken) überkompensieren müssen.
- Dance Medicine & Science Journal (2021) betont, dass Tänzer:innen mit gut trainierter Rumpf-Schulter-Stabilität signifikant weniger Ausweichbewegungen zeigen – besonders in Posen, Hebefiguren und Partnerarbeit.
Warum du die Connection ernst nehmen solltest
✅ Sie stabilisiert deinen Körper wie ein Turm – von der Mitte bis in die Arme.
✅ Sie macht deine Bewegungen sauberer, stärker und sicherer.
✅ Sie ist die Basis für alles, was über die „Basics“ hinausgeht: Hebungen, Handstand, Standwaagen, akrobatische Übergänge.
✅ Sie sorgt für Ausdruck, Haltung und Eleganz, auch ohne extreme Beweglichkeit.
Auf die Spannung kommt es an
Alles bis hier hin beschrieben zählt auf eine wichtige Fähigkeit ein: Körperspannung.
An dieser Stelle eine kurze Definition:
Körperspannung ist die Fähigkeit, deinen Körper bewusst und kontrolliert in einem aktiven, stabilen Zustand zu halten – egal ob du dich bewegst oder stillstehst.
Das bedeutet:
- Nicht schlaff, aber auch nicht verkrampft
- Nicht passiv hängen, sondern aktiv tragen
- Nicht „nur“ Muskelkraft, sondern auch gezielte Ansteuerung und Kontrolle
Das bewirkt Körperspannung konkret im Tanz

Es ist wie ein unsichtbares „inneres Netz“ aus Kraft, Haltung, Gleichgewicht und bewusster Muskelarbeit, das alles zusammenhält, was sonst auseinanderfällt.
Stabilität & Kontrolle: Du kannst Drehungen, Sprünge, Hebungen oder Balance-Elemente nur dann sauber und sicher ausführen, wenn dein Körper im Lot bleibt und die Kraft nicht „verpufft“.
Präzision: Spannst du deinen Körper bewusst an, wackelt nichts. Armpositionen, Beinführung, Haltung – alles sieht klar, stark und souverän aus.
Ausdruck: Körperspannung erzeugt Präsenz und Haltung. Du „stehst“ auf der Bühne, statt einfach nur da zu sein. Deine Bewegungen wirken entschlossen, nicht zufällig.
Verletzungsprophylaxe: Durch Körperspannung schützt du deine Gelenke und vermeidest Fehlbelastungen, z. B. bei Sprüngen oder akrobatischen Elementen wie dem Spagat oder Schwan.
Welche Muskeln sind bei Körperspannung aktiv?
Körperspannung ist kein einzelner Muskel, sondern ein Zusammenspiel. Dazu gehören:
- Tiefe Rumpfmuskulatur (Core): Transversus abdominis, Beckenboden, Multifidi
- Rückenstrecker: Halten deine Wirbelsäule aufrecht
- Schultergürtelmuskulatur: z. B. Trapezmuskel, Rotatorenmanschette
- Glutealmuskulatur & Beinachsenkontrolle: Stabilität in Sprüngen
- Arme & Hände: Auch hier braucht es Spannung, z. B. in der Führung oder beim Halten von Posen
Wie fühlt sich gute Körperspannung an?
- Du spürst deinen Körper von innen heraus stabil – wie ein gespanntes Seil, nicht wie ein Brett.
- Du kannst dich geschmeidig bewegen, aber trotzdem ist alles „zusammengehalten“.
- Du kontrollierst deinen Körper – statt dass die Bewegung mit dir passiert.
Ein guter Vergleich: Körperspannung ist wie das Aufpumpen eines Gymnastikballs. Nicht zu weich (dann sinkst du ein), nicht zu hart (dann bist du starr) – sondern genau richtig, damit du reaktionsfähig, stabil und federnd bist.
Kurz gesagt: Körperspannung ist das Fundament für Technik, Ausdruck und Verletzungsfreiheit im Tanz.
Sie ist die Fähigkeit, Kraft, Haltung und Kontrolle zu vereinen – und damit aus Bewegung echte Präsenz zu machen.
Wie du gezielt Körperspannung trainierst, deine Armkraft und Shoulder-Core-Connection stärkst, lernst du hier in meinen Gardesports-Kursen.



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