Wertungskriterien im BDK unter der Lupe

Die Wertungskriterien im BDK unter der Lupe

Die Wertung auf einem BDK Turnier

Wer das erste Mal an einem BDK Turnier teilnehmen möchte, sollte sich im Vorfeld intensiv mit den Wertungskriterien auseinandersetzen. In diesem hat der BDK genau festgeschrieben, wofür es im Tanz Punkte und Punktabzüge gibt.

Im letzten Jahr stand ich vor ebendieser Herausforderung – einen Solistentanz nach Turnierkriterien erstellen. Auch, wenn ich diese in meiner Grundschulung für Garde- und Showtanz bereits einmal gelernt hatte, war mir vieles nicht bis ins kleinste Detail bekannt.

Die Punkte liegen im Detail

Denn manche Punkte erschließen sich erst genau, wenn man mit anderen, erfahrenen Tänzer:innen und Trainer:innen über diese spricht. Genau das habe ich gemacht.

Heute möchte ich mit euch einen Blick in die Wertungskriterien werfen und tiefer eintauchen in die Bedeutung hinter einige dieser. Was ist Mythos, was entspricht der Wahrheit?

Dazu ein kleiner Disclaimer vorab: Ich bin keine Jurorin sondern lese die Kriterien als Trainerin – und gebe euch hier mein Verständnis davon wieder. Lasst uns gerne in den Kommentaren diskutieren, wenn ihr Dinge anders versteht oder anders erfahren habt. So sorgen wir alle gemeinsam für mehr Transparenz.

Gardetanz im BDK: Wie wird gewertet?

Vorab ein paar Basics. Im BDK gibt es fünf Disziplinen: Tanzpaar, weibliche Garde, gemischte Garde, Solisten und Schautanz. In diesem Artikel beziehe ich mich auf die Disziplinen I-IV, also nur die Garde-Disziplinen. Die Wertungskriterien dazu findet ihr hier auf der Seite des BDK.

Pro Juror kann man maximal 100 Punkte für seinen Tanz erhalten. In der Regel geht man mit 100 Punkten auf die Bühne – und dann gibt es Abzüge für alle die Dinge, die nicht den Kriterien entsprechen.

Dreihundert bis Fünfhundert Punkte sind drin

Direkt nach dem Tanz legen die Juroren ihre Endpunktzahl fest und diese wird dann auch direkt bekanntgegeben. Dabei werden die beste und die schlechteste Punktzahl gestrichen. Wenn fünf Juroren werten, werden also nur drei Wertungen ins Endergebnis einbezogen – das entspricht maximal 300 Punkten.

Bei den Endmeisterschaften werten in der Regel sieben Juroren, sodass hier fünf Wertungen einfließen. Es gibt also maximal 500 Punkte zu holen.

Fun Fact: Liana Wolf schaffte als Solistin im Jahr 2019  die nahezu perfekte Punktzahl und holte 499 Punkte für ihren Tanz.

Die Wertungskriterien der Disziplinen I-IV

Pokal bei der Süddeutschen Meisterschaft im karnevalistischen Tanzsport 2023

Nur wer viele Punkte erhält steht auf dem Treppchen – und bekommt einen Pokal wie diesen.

Grundsätzlich gibt es neun Bereiche, welche bewertet werden. Diese sind:

  1. Aufmarsch – 5 Punkte
  2. Grundstellung – 5 Punkte
  3. Uniform – 10 Punkte
  4. Ausstrahlung – 10 Punkte
  5. Schrittvielfalt – 10 Punkte
  6. Schwierigkeitsgrad – 10 Punkte
  7. Darstellung der Disziplin – 15 Punkte
  8. Exaktheit und Ausführung – 15 Punkte
  9. Choreographie – 20 Punkte
    1. Musik – 5 Punkte
    2. Tanz – 15 Punkte

Ich werde euch jetzt nicht die Texte aus den Wertungskriterien hier 1:1 abtippen. Vielmehr habe ich mir einige Fragen gestellt, die mir im Laufe des letzten Jahres beim Arbeiten mit den Wertungskriterien in den Kopf gekommen sind.

Vielleicht stellt ihr euch diese ja auch. Durch meine Gespräche mit anderen Tänzer:innen und Trainer:innen habe ich hier einige Dinge dazu gehört, welche ich mit euch teilen möchte.

In welchen Fällen kann man disqualifiziert werden?

Die vielleicht wichtigste aller Fragen kommt zuerst, die die Disqualifikation ist sicher der Super-GAU für uns Trainer:innen. Tatsächlich findet man in den schriftlichen Kriterien der Disziplinen I-IV auch keine direkt Angabe, was zum Ausschluss der Wertung führt.

Ich kann aber zwei Erfahrungen mit euch teilen. Das eine ist die Musik. Wenn diese nicht läuft kann man nicht tanzen – ergo bekommt man keine Wertung was der Disqualifikation entspricht.

Ich selbst war im letzten Jahr unsicher, ob unsere Musik den erforderlichen „Marschcharakter“ besitzt. Also habe ich hier beim Tanzturnierausschuss eine Anfrage gestellt. Die Rückmeldung war, dass meine Musik in einem 4/4-Takt ist, was schon einmal nicht zur Disqualifikation führt. Heißt im Umkehrschluss für mich: Benutzt Musik mit einem 4/4-Takt, um auf der sicheren Seite zu sein.

Natürlich sollte es ein (instrumentales) Marschlied sein und kein Popsong – aber das sollte klar sein.

Woran erkenne ich, ob eine Musik einen „Marschcharakter“ hat?

Dies ist ein Punkt in den Kriterien, welcher für mich „windelweich“ ist. Was bitte ist denn dieser Marschcharakter? Alle Welt spricht darüber, doch so richtig deutlich wird es mir nicht. Vor allem, wenn ich mir Mariechenmusiken (auch auf großen Turnieren) anhöre stelle ich mir diese Frage…

Leider muss ich euch an dieser Stelle enttäuschen – eine zufriedenstellende Antwort habe ich bisher nicht erhalten. Aber einen Tipp: Ihr könnt eure Musik vorab an die Vorsitzenden des Tanzturnierausschuss senden und um eine Einschätzung bitten. Das geht ganz unkompliziert per E-Mail. Die Kontaktdaten findet ihr hier.

Im letzten Jahr hatte ich beispielsweise die Musik „Der Hummelflug“ im Mariechentanz genutzt. Die Rückmeldung des TTA war: Kein Marschcharakter. Verstehe ich nicht – klingt für mich sehr „marschig“. Falls mir einer von euch das genauer erklären kann, meldet euch gerne bei mir 😉

Trotz Uniform zu Disqualifikation

Eine Uniform sollte vollständig sein – sprich aus Stiefel, Strumpfhose, Rock, Body, Weste/Jacke und Hut bestehen. Fehlende oder abfallende Uniformteile führen zum Punktabzug.

Von einer Garde habe ich gehört, welche tatsächlich aufgrund der Uniform disqualifiziert wurde. Wie das? Sie hatten alle oben genannten Bestandteile an – jedoch war die Weste besonders geschnitten. Statt zwei „Ärmeln“ (also der Teil der bei der Weste auf der Schulter aufliegt) gab es nur einen – auf der zweiten Seite war sie schräg geschnitten (quasi „One Shoulder“).

Hier gab es wohl eine Unsicherheit, ob dies erlaubt ist. Letztendlich wurden sie disqualifiziert. Hier würde ich also an eurer Stelle keine Experimente wagen, was die Uniform angeht.

Wann gilt die Tanzfläche als optimal ausgenutzt?

Bühne auf einem Gardetanzturnier

16 x 10 Meter ist die Bühne bei der Endmeisterschaften. Diese Fläche gilt es voll auszunutzen – ob in der großen Gruppe oder als einzelne Solist:in.

Beim ersten Lesen dachte ich mir, dass man an dieser Stelle nicht viel falsch machen kann. Die Bühne sollte eben möglichst komplett genutzt werden. Als große Garde recht einfach – doch wie sieht es bei Solisten aus?

Im Laufe meiner Gespräche kamen hier immer mehr Details zum Vorschein, welche ich so direkt nicht aus den Kriterien lesen konnte. Daher für euch hier mein aufgeschnapptes Wissen.

Das Haus vom Nikolaus

Grundsätzlich gilt für Solisten (und auch Garden), dass sie jede Ecke einmal betanzt haben sollten. Hier kann man aber noch mehr rausholen. So sollte jede Bühnenseite und im besten Fall auch noch jede Diagonale einmal ausgetanzt werden. Ein Tipp: „Malt“ auf der Bühne das Haus vom Nikolaus ohne Dach – so wird jede Seite berücksichtigt.

Das bedeutet für Solist:innen, dass sie eigentlich nonstop in Bewegung sind. In einem Workshop habe ich aufgeschnappt, dass man maximal 2×8 am Platz tanzen und sich dann wieder weiter bewegen sollte – sonst ist es nicht schaffbar.

Zu den Details habe ich dann noch aufgeschnappt, dass jede Bühnenseite 8 Punkte gibt – und das nicht-betanzen einer Seite zu 0 Punkten insgesamt auf dieses Kriterium führt.

Diese Info kann ich so nicht bestätigen – würde sie aber im Zweifelsfall berücksichtigen. Also nutzt wirklich jede Seite der Bühne. Und: Geht nicht einen Weg hin- und wieder zurück. Auch das soll wohl zu weniger Punkten führen (habe ich gehört).

Mut zur Lücke?

Führt eine Lücke in der Gardetanzformation zum Punktabzug? Nach meinen Gesprächen: Grundsätzlich ja. Es gibt aber (wahrscheinlich) eine Ausnahme.

Wir kennen es – kurz vorm Auftritt fällt eine Tänzerin aus. Wo Hobbygarden einfach mit Lücke durchziehen, sollten Turniergarden diese schließen. Auch, wenn es in einer Stunde auf die Bühne geht. Denn eine Lücke stört das Gesamtbild – und wird so zumindest indirekt mit in die Wertung einfließen.

Eine Ausnahme gibt es. Verletzt sich eine Tänzerin auf der Bühne, der Tanz wird abgesprochen und die Garde darf nochmal hoch – dann kann ich mir vorstellen, dass es nicht negativ in die Wertung einfließt. Weil hier offensichtlich keine Zeit mehr war, eine Änderung vorzunehmen.

Seht ihr das auch so?

Wann passt die Uniform nicht?

Eine ganz frische Info, die vielleicht einigen von euch schon total klar war – mir aber nicht 😉 Beim Punkt Uniform war ich mir immer ziemlich sicher, dass man hier nicht viel falsch machen kann. Wenn alles dran ist, nichts abfällt und der Tänzer:in passt, was soll schon sein?

Aber: Lasst eure Tänzer:innen im Vorfeld einmal die Arme haben. Sieht man das Rockbündchen oder sogar den Body? Dann gibt’s Punktabzug. Denn genau das fällt unter dem Kriterium „der Figur angepasstes tragen“.

Wusste ich so auch nicht – vielleicht hilft es euch ja.

Fingerhaltung: Elegant gespreizt oder immer geschlossen?

Handhaltung einer Tänzerin

Müssen die Finger immer geschlossen sein? In der Garde: Ja. Bei Solisten: Es kommt drauf an.

Hier eine weitere Frage aus der Kategorie – hab ich mir nie Gedanken drüber gemacht. In der Garde ist diese eindeutig zu beantworten, die Finger gehören zusammen und Lücken führen zu Punktabzug in der Exaktheit und Ausführung.

Doch wie ist das bei Solisten? Auch hier habe ich den Tipp bekommen, die Finger besser die gesamte Zeit über fest zu schließen – ist dies nicht exakt, gibt es Abzüge.

Allerdings, schaut man sich die Mariechen auf der Deutschen Meisterschaft an so haben diese ihre Finger auch häufig elegant gespreizt. Was stimmt denn nun?

Es kommt auf die Spannung an

Durch Gespräche und Nachfragen habe ich gehört, dass gespreizte Finger in Ordnung sind, wenn sie zum Schritt passen und auch deutlich bzw. bewusst so gehalten werden. Bei klassischen Marschschritten sollten sie zusammenbleiben – auch das deutlich.

Im Grunde geht es also um das Thema Spannung in den Fingern. So ein Zwischending von nicht ganz geschlossen aber auch nicht richtig gespreizt führt wahrscheinlich zu Abzügen.

Blick zur Jury, ins Publikum oder doch in Tanzrichtung?

Ein weiterer Tipp den ich bekommen habe: Schau die ganze Zeit ins Publikum. Also zum Beispiel auch bei Bodenteilen die seitlich ausgeführt werden.

Richtig ist: Man tanzt für das Publikum. Und Ausstrahlung kommt nur an, wenn das Publikum diese auch sieht. Schaut man also die meiste Zeit in Tanzrichtung oder auf den Boden, so kann es sein dass der Funke nicht überspringt.

Richtig ist aber auch: Der Kopf bzw. die Kopfhaltung und Blickrichtung gehört zur Schrittvielfalt. Bewusste blicke in Laufrichtung sind natürlich ok – es kommt auf den Mix an. Und die meiste Zeit sollte das Publikum angestrahlt werden.

Was wohl nicht nötig ist, den Juroren direkt ins Gesicht zu schauen. Schließlich tanzt man – wie schon gesagt – fürs Publikum. Der Blick darf also über die Juroren hinweg gehen.

Schwierigkeiten auf beiden Seiten – oder gar nicht?

Tanzmariechen zeigt einen Spagatsprung

Der Spagatsprung ist eine Schwierigkeit im Gardetanz. Auf Turnieren sollte sie beidseitig gezeigt werden.

In den Wertungskriterien steht „Es sollen möglichst viele verschiedene Schwierigkeiten gezeigt werden, die beidseitig ausgeführt werden sollen.“

Sollen – nicht müssen. Oder? Eine Frage, die mir so direkt nicht beantwortet werden konnte. Eins steht jedoch fest: Was gezeigt wird muss auch beherrscht werden. Denn das steht deutlich drin, was nicht beherrscht wird führt zu Punktabzug.

Im Zweifel würde ich die Schwierigkeit also auch einseitig einbauen, wenn sie beherrscht wird gib es keine Abzüge – nur eventuell auch eben nicht mehr Punkte. Dennoch hebt sie die gesamte Wirkung des Tanzes nach oben.

Punktabzug durch Wiederholung?

In den Richtlinien steht, dass Wiederholungen nicht zu einer höheren Punktzahl führen. Aber können Wiederholungen zum Punktabzug führen? Also wenn meine Tänzer:innen zweimal das Rad rechts zeigen, und beim zweiten Mal wird es schlechter ausgeführt – hat das dann negative Auswirkungen auch auf das erste Rad?

Auf diese Frage wäre ich so auch nicht gekommen. Allerdings wurde mir dies als Tipp mitgegeben, möglichst jede Schwierigkeit auch nur einmal zu zeigen. Durch ein vermehrtes Zeigen können zum einen nicht mehr Punkte erreicht werden – zum anderen kann es sein dass sie beim zweiten oder dritten Mal nicht mehr exakt ausgeführt wird und damit tatsächlich zum Punktabzug führt.

Das macht auch Sinn, wenn man sich die Art wie gewertet wird ansieht. Man startet den Tanz mit 100 Punkten. Zeigt man ein ordentliches Rad rechts, bleibt es bei 100 Punkten. Zeigt man das Rad rechts später nochmal, diesmal mit einem krummen Bein so werden Punkte abgezogen.

Also: Willst du auf der sicheren Seite sein, zeige jede Schwierigkeit nur einmal.

Akrobatik: Angesprungen oder aus dem Stand?

Neben den Schwierigkeiten sollten Solist:innen auch akrobatische Elemente wie Bogengang, Menichelli oder ein freies Rad zeigen. In den Kriterien ist beschrieben, dass diese vertanzt werden müssen und keine abgegrenzten Turneinlagen mit Anlauf oder Grundstellung darstellen dürfen.

Doch wo beginnt ein Anlauf – und was ist noch Tanz? Heißt dass, ein Element muss quasi aus dem Stand gezeigt werden?

Auf die Ausführung kommt es an

Auch hier habe ich mal ein wenig rumgefragt. Grundsätzlich kommt es auch hier in erster Linie auf die sauberer Ausführung des Elementes an. Wenn du das aus dem Stand kannst – go for it.

Wer etwas mehr „Schwung“ braucht kann sich diesen durch Kombination beispielsweise mit einer Radwende holen. Diese sollte dann ohne Anlauf, direkt aus dem Tanzschritt heraus erfolgen.

Vor freien Elementen dürfte ein kleiner Anhopser auch nicht negativ gewertet werden. Wichtig ist dabei, dass das anspringen auch tänzerisch aussieht. Mit einer schönen Arm- und Kopfhaltung sieht es (fast) aus wie ein Tanzschritt.

Noch mehr Fragen?

Alles klar – oder habt ihr jetzt noch mehr Fragen als vorher? Mir geht es zumindest so – je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige und je mehr ich mit anderen darüber rede, umso mehr Fragen kommen bei mir auf.

Am Ende kann sie keiner zu 100% beantworten – denn die Juroren sind auch nur Menschen. Mit dem gleichen Regelwerk wie wir. Und das liest und interpretiert nun einmal jeder etwas unterschiedlich.

Ich habe auf jeden Fall einen riesigen Respekt vor dem Job. Diese Konzentration aufzubringen, auch den 100. Tanz an einem langen Tag noch ordentlich zu bewerten ist wirklich krass.

Jetzt bin ich gespannt auf eure Kommentare. Hat euch der Artikel geholfen? Oder noch mehr verwirrt? Habt ihr selbst noch Fragen zu den Kriterien?

Lasst gern mal einen Kommentar hier.

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