Schöner Gardetanz – trotz heterogener Leistung?

Schöner Gardetanz - trotz heterogener Leistung?

Ein schöner Gardetanz soll auf die Bühne

Wenn du als Trainerin im Karnevals- oder Auftrittsverein aktiv bist, dann kennst du sicher diese Herausforderung: In jeder Garde gibt es Tänzerinnen und Tänzer, die unterschiedlich stark sind. Manche bringen schon von Natur aus Talent mit, andere müssen sich alles hart erarbeiten. Und dann gibt es auch die, die einfach nicht so viel üben wollen oder können – das ist völlig normal.

Natürlich wollen wir als Trainerinnen, dass alle am Tanzen und im Training Spaß haben. Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen. Und trotzdem: Am Ende soll ein schöner, harmonischer und im bestenfalls perfekter Tanz auf die Bühne. Schließlich ist es doch ein tolles Gefühl, wenn die eigenen Ideen in einem gelungenen Auftritt zum Leben erweckt werden.

Aber wie schafft man das, wenn die Gruppe so unterschiedlich ist? Kann das überhaupt funktionieren? Genau dieser Balanceakt fordert uns immer wieder heraus. In diesem Artikel möchte ich dir Tipps geben, wie du mit der Situation umgehen kannst.

Was bedeutet eigentlich „schön“ im Gardetanz?

Wenn wir über einen „schönen“ Tanz sprechen, haben wir als Trainerinnen meist ganz klare Bilder im Kopf. Im Gardetanz gibt es bestimmte Kriterien, die dafür sorgen, dass der Tanz harmonisch und beeindruckend wirkt.

Ein wichtiges Merkmal ist die Synchronität. Der Tanz sollte wie aus einem Guss wirken, das bedeutet, dass sich alle Tänzerinnen und Tänzer gleichzeitig und in der gleichen Weise bewegen. Die Beine sollten in der gleichen Höhe geschmissen werden, die Köpfe sich exakt zum gleichen Zeitpunkt drehen – das alles trägt dazu bei, dass der Tanz insgesamt stimmig wirkt.

Neben der Synchronität spielt auch die persönliche Ausführung der Schritte eine große Rolle. Das bedeutet, dass die Füße gestreckt sind, die Finger zusammen und in die gleiche Richtung zeigen, und die Bewegungen in der gleichen Höhe und Richtung ausgeführt werden. Auch das Taktgefühl ist entscheidend: Jeder Schritt sollte im Takt der Musik sein, damit der Tanz flüssig und präzise wirkt.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters

Doch auch wenn es klare Kriterien gibt, die einen „schönen“ Gardetanz ausmachen, ist es wichtig zu bedenken, dass das Ergebnis immer im Auge des Betrachters liegt. Wie hoch ist dein eigener Anspruch als Trainerin? Wie perfekt muss es in deinen Augen sein?

Oft ist es so, dass das klassische Karnevalspublikum gar nicht so anspruchsvoll ist wie wir Trainerinnen. Sie freuen sich über einen unterhaltsamen und stimmungsvollen Auftritt, auch wenn nicht jede Bewegung hundertprozentig synchron ist. Vielleicht ist es also manchmal auch eine Frage der Perspektive, wie „schön“ der Tanz am Ende wirklich sein muss.

Heterogene Leistung im Gardetanz: Die Knackpunkte

Zwei Tänzerinnen im Gardetraining mit Trainerin

Nicht alle Tänzer:innen sind auf dem gleichen Niveau. Das führt zu einem Ungleichgewicht im Gardetanz.

Als Trainerin weißt du genau, worauf es im Tanz ankommt – doch gerade bei einer Gruppe mit unterschiedlichen Leistungsniveaus treten oft Herausforderungen auf, die den perfekten Auftritt erschweren.

Diese „Knackpunkte“ können den Unterschied zwischen einem gelungenen und einem eher holprigen Tanz ausmachen. Schauen wir uns die einzelnen Bereiche einmal genauer an:

  • Beweglichkeit: In einer gemischten Gruppe sind die Unterschiede in der Beweglichkeit oft besonders auffällig. Während manche Tänzerinnen es schaffen, ihre Beine bis zum Kopf zu werfen, kommen andere nicht einmal auf 90 Grad. Ähnlich verhält es sich beim Spagat oder bei Beinführungen: Einige beherrschen beides perfekt, während andere damit kämpfen.
  • Schnellkraft: Schnellkraft ist entscheidend, um die Beine schnell und präzise nach oben zu bringen oder die Arme schwungvoll und zackig zu bewegen. Doch nicht jeder Tänzer verfügt über die notwendige Kraft und Schnelligkeit. Das Ergebnis: Die Bewegungen wirken langsamer, weniger kraftvoll und außerhalb des Taktes, was den Gesamteindruck des Tanzes beeinträchtigt.
  • Spannung: Eine gute Körperspannung ist das A und O für einen dynamischen und kraftvollen Tanz. Doch in jeder Gruppe gibt es Tänzerinnen, die eher locker und entspannt tanzen – manchmal zu locker. Wenn jemand „wie ein nasser Sack“ tanzt, wirkt das schwerfällig und auch unsauber im Takt. Das kann den gesamten Ausdruck des Tanzes schwächen.
  • Koordination: Nicht zuletzt ist die Koordination eine große Herausforderung. Manche Tänzer:innen tun sich schwer damit, sich die Choreografie gut einzuprägen und die Schritte dann auch richtig abzurufen. Besonders in klaren Positionen wie der Beinreihe fallen Fehler schnell auf und können den Gesamteindruck stören.

Diese Punkte sind es, die das Training herausfordernd machen, aber auch genau dort ansetzen, wo du als Trainerin gezielt unterstützen und Lösungen finden kannst.

„Dann trainiert doch einfach mehr“ – Warum das gar nicht so einfach ist

Ein oft gehörter Ratschlag, um das Niveau einer Tanzgruppe zu steigern, lautet: „Dann trainiert doch einfach mehr!“ Doch in der Praxis ist das leichter gesagt als getan. Viele Trainerinnen, wie auch ich, arbeiten ehrenamtlich und haben neben Beruf, Familie und anderen Verpflichtungen nur begrenzte Zeit für das Training.

Mehr Einheiten einzubauen, klingt zwar verlockend, stößt aber oft auf praktische Hindernisse. Dazu kommt, dass zusätzliche Hallenzeiten nicht immer verfügbar sind. Die Räumlichkeiten sind oft bereits belegt, und es ist schwierig, weitere Trainingstermine zu organisieren.

Was ist die Motivation deiner Tänzer:innen?

Selbst wenn es gelingen würde, mehr Trainingszeit zu finden, ist die Motivation innerhalb der Gruppe oft unterschiedlich verteilt. Während einige Tänzerinnen bereit wären, mehr Zeit zu investieren, sehen andere das Tanzen vor allem als Hobby.

Für sie steht der Spaß im Vordergrund, und sie möchten diesen nicht durch zusätzlichen Druck verlieren. Schließlich handelt es sich nicht um professionellen Leistungssport, sondern um eine Freizeitaktivität.

Zu viel Fokus auf Perfektion kann schnell den lockeren und freudvollen Charakter des Tanzens kaputtmachen, was letztlich das Gegenteil von dem erreicht, was wir als Trainerinnen eigentlich wollen.

Praktische Lösungen für einen harmonischen Gardetanz

Gardetrainerin bei der Trainingsplanung

Als Trainerin hast du es selbst in der Hand, wie du das Training und den Tanz gestaltest – sodass alle Tänzer:innen strahlen können.

Nachdem wir uns damit auseinandergesetzt haben, warum mehr Training oft keine realistische Option ist, stellt sich die Frage: Was können wir stattdessen tun? Zum Glück gibt es viele andere Wege, um auch mit einer heterogenen Gruppe einen schönen Tanz auf die Bühne zu bringen.

Diese Lösungen erfordern keinen zusätzlichen Zeitaufwand, sondern setzen eher auf kluge Planung und Anpassungen. Im Folgenden stelle ich dir einige praktische Ansätze vor, die dir helfen können, die Stärken deiner Gruppe optimal zu nutzen und gleichzeitig eventuelle Schwächen geschickt zu kaschieren.

Eigene Ansprüche überdenken

Als Trainerin kann es hilfreich sein, die eigenen Ansprüche zu hinterfragen. Was muss wirklich perfekt sein, und wo kann man auch mit 80% zufrieden sein? Indem du den Trainingsfokus auf diese wichtigen 80% legst, kannst du die Gruppe gezielt in den Bereichen stärken, die den größten Unterschied machen.

Das bedeutet nicht, dass du deine Standards senken musst, sondern dass du realistisch abwägst, was in der vorhandenen Zeit und mit den gegebenen Ressourcen erreichbar ist.

Den Tanz einfacher gestalten

Manchmal ist weniger mehr. Wenn bestimmte Elemente, wie die Beinführung, einfach nicht gut aussehen, ist es sinnvoll, sie aus der Choreografie zu streichen. Indem du den Tanz insgesamt etwas vereinfachst, kannst du sicherstellen, dass die Gruppe als Ganzes harmonischer wirkt und die Tänzerinnen sich sicherer fühlen. Das Ergebnis ist ein sauberer, gut durchgeführter Tanz, der das Publikum trotzdem begeistern wird.

Geschickte Positionsplanung

Eine kluge Platzierung der Tänzerinnen kann Wunder wirken. Weniger starke Tänzerinnen können bewusst in den hinteren Reihen oder an den Seiten positioniert werden, wo sie nicht so sehr im Fokus stehen. Dadurch wird das Gesamtbild auf der Bühne harmonischer, und die Stärken der Gruppe können besser zur Geltung kommen, ohne dass die Schwächen zu sehr ins Auge fallen.

Gruppenspezifische Aufteilung

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Gruppe bei bestimmten Bewegungen zu teilen. Beispielsweise kann nur die Hälfte der Gruppe ein Rad schlagen, während die andere Hälfte am Boden bleibt und eine andere Bewegung ausführt.

Diese Methode nutzt die individuellen Stärken der Tänzerinnen und sorgt gleichzeitig für Abwechslung in der Choreografie, was den Tanz interessanter und dynamischer macht.

Kürzere Tänze

Ein kürzerer Tanz hat den Vorteil, dass die Tänzerinnen die Spannung besser halten können und die Choreografie insgesamt sauberer wirkt. Eine kompakte, gut durchgetanzte Darbietung hinterlässt oft einen stärkeren Eindruck als eine längere, bei der die Energie und Präzision zum Ende hin nachlassen.

Wenn die Kompromisse nicht ausreichen: Optionen für anspruchsvolle Trainer:innen

Trainerin im Trainingssaal

Wenn die eigenen Ansprüche höher sind bleibt häufig nur der Wechsel des Vereins.

Manchmal reicht es einfach nicht, die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben oder kleinere Anpassungen vorzunehmen. Wenn du als Trainerin merkst, dass dich diese Kompromisse nicht zufriedenstellen, dann gibt es andere Wege, um deinem hohen Anspruch gerecht zu werden.

Eine Möglichkeit besteht darin, eine Kursänderung im Verein anzustreben. Das bedeutet, dass du innerhalb deines Vereins dafür wirbst, den Fokus stärker auf Leistung zu legen. Dies könnte eine größere Umstrukturierung erfordern, aber es wäre ein Weg, um die Gruppe auf ein höheres Niveau zu bringen.

Bildung von Leistungs- und Auftrittsgruppen

Eine weitere Option ist die Bildung von Leistungs- und Auftrittsgruppen. Hier könntest du die Tänzerinnen, die besonders ehrgeizig sind und mehr trainieren möchten, in einer eigenen Leistungsgruppe fördern.

Diese Gruppe könnte dann anspruchsvollere Choreografien einstudieren, während die andere Gruppe weiterhin den lockeren, spaßorientierten Ansatz verfolgt. Natürlich bringt dies organisatorische Herausforderungen mit sich, wie die Notwendigkeit von mehr Trainern und zusätzlichen Hallenzeiten.

Vereinswechsel

Für diejenigen, die wirklich keine Kompromisse eingehen wollen, gibt es schließlich den harten Cut: Ein Vereinswechsel hin zu einem reinen Leistungsverein. Hier könntest du in einem Umfeld arbeiten, das deinen hohen Ansprüchen gerecht wird und in dem alle Tänzerinnen und Tänzer bereit sind, den nötigen Aufwand für Spitzenleistungen zu erbringen.

Dies ist sicher keine einfache Entscheidung, aber manchmal der richtige Schritt, um sich als Trainerin weiterzuentwickeln und die eigenen Ziele zu erreichen.

Mehr Spaß am Gardetanz

Es gibt Wege und Möglichkeiten auch bei heterogener Tänzerleistung einen schönen Auftritt zu tanzen. Etwas Gehirnschmalz und die Überprüfung der eigenen Ansprüche gehören aber auf Trainerseite dazu.

Mein Tipp: Stellt den Spaß am Sport und der Bewegung sowie das Gemeinschaftsgefühl mehr in den Fokus als einen perfekten, sauberen Tanz. Das schafft auch Freiheit im Kopf.

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