Von Null auf Turniergarde

Die Geschichte einer Trainerin

Pokal Gardeturnier

von Manuela Hennicken

Gardetrainerin – wie kam ich dazu

Manuela Hennicken und ihre Co-Trainerin

Manuela Hennicken und ihre Co-Trainerin

Ich wurde in einem Vorort von Aachen in eine Karnevalsgesellschaft sozusagen hineingeboren … da war es irgendwann ganz natürlich, dass ich im Verlauf der Zeit als Trainerin die diversen Tänze übernehme. Mit 16 Jahren übernahm ich die Bambinis, mit 18 kamen die Kinder hinzu, mit 20 die Junioren und mit 22 hatte ich dann alles:  4 Garden, 2 Tanzpaare, 5 Mariechen und einen Showtanz. Daneben war ich noch Vizepräsidentin & Schriftführerin. Quasi ein 2. Fulltime-Job, für den ich gelebt habe.

Wir haben das Glück, das in unserem Verbandsgebiet (VKAG) schon früh die Möglichkeiten gegeben wurden an kostengünstigen Trainergrundschulungen teilzunehmen. Das hat also dazu geführt, dass die Trainer:innen der „Nur-Karnevalsvereine“, der „Sowohl-als-auch-Vereine“ und die der „reinen Turniervereine“ sich austauschen konnten. Was wiederum bewirkt, dass auch die sogenannten kleinen Vereine sehr gut choreografierte Tänze haben.

Lebenslanges Lernen – auch als Hobbytrainerin wichtig

Dazu gab es hier gefühlt schon immer Freundschaftsturniere. Wenn man sich getraut hat daran teilzunehmen, konnte man da immer dazulernen. Und die allermeisten anderen Teilnehmer:innen waren sehr nett zu uns „kleinen“.

Also entwickelten wir uns wissbegierig in kleinen Schritten karnevalistisch immer weiter.

Aufgrund der guten Erfahrungen in den Grundschulungen, die ich bei uns im Verband jährlich mitgemacht habe, habe ich mich dann im hohen Alter von 36 Jahren entschieden doch noch die C-Lizenz zu machen. Obwohl ich in meiner Gruppe mit Abstand die älteste und tänzerisch wohl auch die schwächste war, war das eine der besten Entscheidungen, die ich im Trainerleben gemacht habe. Ich kann das wirklich nur jedem/ jeder empfehlen.

Großer Umbruch im Karnevalsverein

Leider kam dann nach 35 Jahren Mitgliedschaft ein für mich sehr unschönes Kapitel und mit viel nicht-schlafen und unter vielen Tränen verließ ich dann „meinen“ Verein.

Dann hatte ich erst mal die Nase voll und wollte mit dem Tanzen und dem ganzen Gedöns nichts mehr zu tun haben… Das habe ich dann ein knappes halbes Jahr durchgehalten.

Kein Training, keine Versammlungen, keine Aufritte, Weihnachtsfeiern, Zugplanungen usw usw usw … ich hatte dann echt viel freie Zeit. Das einzige was mich noch mit dem Tanzsport verband, war meine mittlerweile erfolgreich bestandene C-Lizenz. Da war ich schon zu weit fortgeschritten, um das hin zu schmeißen. Das habe ich mir selbst gegönnt, das Zuendebringen. Auch als Selbstbestätigung.

BDK Turnier in Düren

Der Jahreswechsel kam und das erste BDK-Turnier des Jahres war damals traditionell immer Düren. Dort sollten die neuen C-Lizenz-Trainer ihre Trainerausweise erhalten… auf der großen Turnierbühne … vor viiiiielen Zuschauern. Wie aufregend.

Und da ich ja sonst nix zu tun hatte, fuhr ich einfach schon ganz früh nach Düren, um mir das gesammte Turnier anzuschauen.

Dort angekommen, wurde ich von einigen Turniervereinen, als Zuschauerin quasi adoptiert. Man kannte sich von den Grundschulungen und wollte nicht, dass ich alleine auf der Tribüne sitzen musste. Das fand ich sehr süß.

Ich war allerdings auch erstaunt, wie viel man wusste von den Streitigkeiten mit meinem Hausverein ( da habe ich erstmals richtig festgestellt, wieviel in dem Business gequatscht wird) und es tat gut zu hören, dass man in großen Teilen auf meiner Seite stand. Balsam für die Seele.

Neuanfang als Trainerin einer Turniergarde

Manuela im Trainerin mit der Garde

Manuela im Trainerin mit ihrer Garde

Nachdem ich einen supertollen Tag in Düren hatte, ich meine C-Lizenz überreicht bekam, tolle Tänze gesehen und gute Gespräche geführt hatte, wollte ich dann nach Hause fahren.

Da kam eine Dame einer fast neu gegründeten Tanzsportgarde auf mich zu und meinte:

„Du hast doch immer so tolle Tänze gestellt. Wir wachsen gerade ziemlich und möchten nach der Ü15-Abteilung jetzt auch eine Juniorengarde gründen. Wir haben schon eine sehr erfahrene & erfolgreiche Tänzerin, die sich das vorstellen könnte – und ich kann mir vorstellen, Du passt sehr gut mit ihr zusammen, dass ihr ein sehr gutes Trainerteam für neue Junioren wärt. Traust Du Dir das zu ?“

Äh… gute Frage… Ich, ´ne BDK-Turniergarde trainieren ? Uff… Meinen die das wirklich ernst??

Aus dem Probetraining wurden zehn Jahre

Ich hatte auf der Heimfahrt einiges zu bedenken. Und dann zu Hause mit meinem Mann zu besprechen. Und die nächsten Tage / Wochen zu überlegen bzw abwägen.

Es folgte einige Zeit später ein Anruf, ob ich es mir überlegt habe. Kurz darauf rief mich dann auch der Vorsitzende der Tanzsportgarde an und fragte nochmal nach. So dachte ich mir: Was habe ich schon zu verlieren. Lass uns ein Probetraining mach und uns weiter sehen. Wer weiß, ob der Profi und ich überhaupt miteinander klar kommen.

Also gesagt, getan. Ein Probetraining absolviert. Fühlte sich gut an. Persönlich schien es zu passen und auch fachlich haben wir uns auf anhieb gut ergänzt.

Einen Probemonat daraus gemacht.

Und die nächsten 10 Jahre geblieben.

Lernen, wie wichtig Kleinigkeiten sind

Nachdem sich eine kleine, feine Gruppe von Mädels & Jungs zur Juniorengarde zusammengefunden hatte, ging es los mit der Aktion „fitmachen für die kommende Turniersession“

Musik aussuchen, schneiden, auszählen, Choreo aufmalen hatte ich ja auch vorher schon gemacht, das war nicht die große Herausforderung. Außer, dass da jetzt noch eine zweite Person war, mit der man sich absprechen musste.

Und was sie mir auch alles beibrachte.

Von der Profierfahrung gelernt

Dinge die gar nicht so schwierig sind: Setze noch hier und da einen Kopf geschickt ein, das gibt dem Schritt mehr Dynamik, wenn Du die Arme bei der Schrittkombi rechts so und so machst, variiere sie für den Schritt auf links (also gleiche Füße, andere Arme) – sieht dann viel schwieriger und vielfältiger aus. Sei bei den Kleinigkeiten, wie zum Beispiel bei der Armstreckung hinter dem Rücken pedantischer, sieh welche Auswirkung ein Mü an mehr Streckung auf die ganze Haltung hat.

Warum eine Musik zu den Tänzer:innen passt, oder eben nicht. Warum eine Musik eher für Solisten als für Garde ist. Warum nach Größe sortieren soviel ausmacht.

Und noch viele Dinge mehr. Das alles habe ich in der C-Lizenzausbildung ja theoretisch gehört, aber praktisch einzusetzen hat nochmal so viel mehr gebracht.

Die größten kleinen Unterschiede von Hobby- und Turniergarde

Neu war auch der Luxus für eine Garde vier Stunden Zeit in der Woche zu haben…nur für die alleine …  ein Trainertraum. Das wäre im alten Verein einfach gar nicht möglich. Da war eine Stunden alleine für die Ü15-Garde schon Luxus.

Aber das was den wirklichen Unterschied zwischen „Dorfgarde“ und Turniergarde war was ganz anderes: Das herangehen ans Fertigmachen.

Das war bei uns schon extrem: Die Mädels hatten nicht mal Uniform, Body, Hut und Perücke zu Hause, das war alles bei den Betreuern.

So konnte auch niemand etwas vergessen, außer eventuell Strumpfhose und Stiefel (ja, das wurde tatsächlich öfter geschafft) – die kann man sich relativ leicht von jemand anders leihen.

Und die Sachen waren immer gewaschen, gebügelt und gegebenenfalls repariert.

Niemand schminkt sich selbst

Aber das die Mädchen sich 0 selbst schminken durften hat mich fast am meisten „schockiert“. Wieso sollten die sich nicht alleine oder von Mama schminken lassen dürfen?

Man hat es mir gezeigt, denn wir hatten vor dem Vorstelltanzabend einen Probeschminkentag. Und da haben wir zuerst die Mädels & Jungs sich selbst fertigmachen lassen und das fotografiert, dann alles zurück auf 0 und dann haben wir Trainer und Betreuer:innen das gemacht. Wieder fotografiert ….

OH WOW – Was für ein Unterschied!

Selbst fertiggemacht: der 2farbige Lidschatten bei jeder anders aufgeteilt, die Zöpfe der Perücke unterschiedlich über den Ohren, die Hüte alle unterschiedlich aufgesetzt… wenn nur eine Person (gegebenenfalls 2, je nach Gardegröße) den dunklen, eine:r den hellen, eine:r den Lidstrich, einer die Perücken aufsetzt, eine:r flechtet, eine:r die Hüte aufsetzt, sind das DIE Kleinigkeiten. Da sieht man optisch schon den „Profi“.

Der Erfolgsdruck als Turniergarde

Warten auf die Quali

Warten auf die Quali

Und tatsächlich anders war natürlich auch der „Druck“ erfolgreich zu sein. War es vorher schon ein „Supermegabombenknüller“ bei einem Freundschaftsturnier bei den Nicht-turniertänzern auf dem Podium zu stehen, war es mit der neuen Garde schon beinahe eine Niederlage, wenn sie bei den Verbandstänzern nicht ganz oben standen.

Wobei das nicht von der Vereinsspitze kam, sondern eher von den Tänzer:innen selbst und von deren Eltern – und auch ein wenig von meiner Partnerin, die als ehemalige deutsche Meisterin ein ganz anderes Verständnis von Erfolg hatte, als ich.

Ich war schon meistens sehr zufrieden – denn das waren ja schließlich noch Kinder – Sie war oft eher unzufrieden – wer Turniere tanzen will muss auch immer 110% geben.

Im 2. Jahr auf dem Treppchen

Wir waren auch bei unterschiedlichen Dingen im Training streng.

Aber grundsätzlich war genau das unser Erfolgsgeheimnis und wir wurden so sehr schnell sehr erfolgreich. Im unserem gemeinsamen 2. Jahr schon auf dem Treppchen auf dem Halbfinale, der norddeutschen Meisterschaft.

Kurz darauf trennten sich leider jedoch unsere Trainerwege, da sie beruflich wegziehen musste. Als neue Partnerin fand sich dann schnell jemand vereinsintern, der ähnlich erfolgreich und ähnlich ehrgeizig war – und die Erfolgsstory ging weiter.

Neuerliche Veränderungen: Auf zur Jugend

Dann änderte sich mein Anliegen… es standen gute Mädels in Warteschleife, die die Junis übernehmen konnten, aber unsere Jugend stand auf einmal ohne Trainer:in da.

Und sechs Jahre Eerfolgsdruck zehrt auch. Ich hatte das Gefühl, ich brauche was anderes. Also kurzentschlossen, mit dem Vorstand gesprochen und dann ruck-zuck mit meiner Co-Trainerin die Altersklasse gewechselt. Es war sooo eine Freude zu sehen wie die Minimäuse lernen. Und da war es schon ein großer Erfolg, dass die im Alter von 5-8 Jahren sich für die Verbandsmeisterschaft qualifizierten und da im oberen Mittelfeld landeten.

Fazit

Glücksmomente als Trainerin

Glücksmomente als Trainerin

Wenn ihr die Möglichkeit bekommt eine Turniergarde zu trainieren, traut euch ran. Sucht euch jemanden, der euch dabei vor Ort unterstützt, der weiß wie der Hase läuft.

Denn meiner Erfahrung nach, tut ein anderer, neuer und vermeintlich „schlechterer“ Blickwinkel auch den Turniertänzern gut. Man kann ihnen aufzeigen, dass vieles was sie für selbstverständlich erachten definitiv NICHT selbstverständlich ist. Wie in allen Bereichen ist auch hier der Einfluß von vielen Dingen hilfreich.

Man muss für sich selbst aussortieren was man einbaut und was nicht.

Ja, man braucht auch ab und an ein dickes Fell, gerade wenn man sogenannte „Eislaufeltern“ dabei hat, aber lasst ich nicht vergraulen.

Die vermeintlich besten Solisten sind oft nicht die besten Gardetänzer. Wenn ihr das den Eltern beigebracht hat, dann läuft es wie geschmiert.

Und man braucht ein gutes Team im Hintergrund. Das hatten wir zu jeder Zeit und dafür bin ich sehr dankbar. Die Achtung, die ich als Trainerin erfahre, bekomme ich tatsächlich eher durch mein Ich-sein, als aufgrund meiner Erfolge & Pokale.

Leider veränderte sich wenige Jahre später dann mein beruflicher Weg. Neue Arbeitszeiten machten es mir unmöglich pünktlich bei den kleinen zu sein. Also haben wir sehr tränenreich die „Babies“ abgegeben.

Ich verfolge den Weg meines Turniervereins jedoch nach wie vor gebannt und möchte die Erfahrungen auch nicht missen.

Und dann führte mich der Tanzgott wieder auf einen anderen Weg … ich habe den Verband gewechselt … davon erzähle ich euch aber ein anderes Mal.

 Liebe Grüße an euch alle und tanzt immer schön weiter durchs Leben :)

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