Taktgefühl – Kann man das lernen?
Taktgefühl und Tanzen gehören zusammen
Ein Tänzer ohne Taktgefühl? Schwer vorstellbar. Doch stehen viele Trainerinnen und Trainer immer wieder vor der Herausforderung, ein sicheres Taktgefühl zu vermitteln.
Besonders häufig kommt man in den Jugendgruppen mit mangelndem Taktgefühl in Berührung. Kinder, die es einfach partout nicht schaffen, den Winkelschritt oder den Beinwurf zum Takt der Musik auszuführen.
Doch auch in den älteren Garden kann dies noch vorkommen. Vor allem dann, wenn der Takt nicht eindeutig ist. Stellt sich also die Frage: Ist Taktgefühl angeboren oder kann das jeder lernen?
Taktgefühl lernen – Je früher desto besser
Fakt ist: Taktgefühl kann jeder lernen. Doch das Zeitfenster schließt sich schnell. So ist es am einfachsten, Kindern zwischen null und drei Jahren spielerisch die Bewegung zum Takt beizubringen. Das fängt beim Tanzen zuhause an, geht in der Krabbelgruppe und beim Kinderturnen weiter.
Je älter ein Kind wird, umso schwieriger lernt es, den Takt der Musik zu erkennen. Ab zwölf Jahren wird dies besonders anstrengend und herausfordernd. Als Trainer eine Juniorengarde hat man demnach eher schlechte Karten.
Gut also, wenn die Kinder bereits in der Jugend bzw. besser noch davor ein Verständnis für den richtigen Takt entwickeln.
Was genau ist eigentlich der Takt?
In der Musik unterscheidet man die Begriffe Metrum und Takt. Jedes Lied basiert dabei auf dem Metrum. Metrum kommt aus dem Griechischen und steht für einen gleichmäßig wiederkehrenden Schlag bzw. Beat. Es ist sozusagen der Herzschlag des Songs.
Von einem Takt ist die Rede, sobald das Metrum bestimmte Schläge regelmäßig betont. Die bekannten Songs aus den Charts haben meistens einen Viervierteltakt als Grundlage. Das heißt, ein Takt besteht aus vier Schlägen. Der erste Schlag lässt sich oft stärker heraushören.
Auch im Gardetanz nutzen wir meistens den Viervierteltakt.
Taktgefühl als Koordinative Fähigkeit
Um den Körper nun passend zum Takt der Musik bewegen zu können benötigt der Tänzer bzw. die Tänzerin Koordination. Sie bzw. er muss die eigenen Bewegungen zur Musik koordinieren können.
Die gute Nachricht: Koordination kann man lernen. Vor allem für Kinder gibt es jede Menge Spiele, die die koordinativen Fähigkeiten im Bezug auf den Takt der Musik schulen. Hier einige Beispiele:
Stopptanz
Dieses Spiel war in meiner Kindheit im Tanztraining immer ein Muss! Vielleicht kennt ihr es auch unter dem Namen „Eistanz“. Die Trainerin oder der Trainer spielen eine beliebige Musik ab. Die Kinder tanzen und bewegen sich zu dieser frei nach Gefühl.
Irgendwann stoppt der Trainer oder die Trainerin abrupt die Musik. Die Kinder müssen nun wie erfroren in der aktuellen Bewegung verharren. Nach einigen Sekunden „freeze“ startet die Musik wieder.
Hierbei lernen die Kinder genau auf die Musik zu hören und ihre Reaktionsfähigkeit zu stärken.
Taktspiel im Kreis
Bei diesem Spiel setzt ihr euch mit der Garde in einen Kreis. Nun beginnt ihr als Trainer damit, einen einfachen Takt auf dem Boden zu klopfen. Die Kinder sind nun aufgefordert, den Takt nachzuklopfen.
Wenn das gut klappt, fangt an den Takt etwas zu verändern. Werdet schneller oder langsamer, versucht einen anderen Rhythmus, zum Beispiel zweimal auf den Boden, einmal in die Hände. Die Kinder sollen versuchen die neue Vorgabe so schnell wie möglich zu adaptieren.
Nun kommt die Musik ins Spiel. Schaltet ein beliebiges Lied ein und beginnt auch hier, im Takt auf den Boden zu schlagen oder in die Hände zu klatschen. Gut eignet sich zum Beispiel „We will rock you“, da hier der Takt sehr eindeutig ist. Die Kinder sollen ebenfalls im Takt mitmachen. Das schult die Fähigkeit, den Takt in der Musik zu erkennen.
Orchesterspiel
Das Spiel habe ich im Buch „Optimales Training im Gardetanz“ von Nicole Vogel entdeckt. Hier bekommt ihr übrigens noch viele weitere Tipps zum Erlernen des Taktgefühls.
Beim Orchesterspiel teilst du die Kinder in mehrere Gruppen. Eine Gruppe soll klatschen, ein stampfen, eine andere vielleicht “lalala” singen. Zum Einstimmen spielt jeder Part 8 Takte lang. Also acht Takte klatschen, anschließend acht Takte stampfen und dann acht Takte singen.
Nun gibst du eine Reihenfolge vor. Die Klatscher starten für acht Takte, hören dann auf und die Stampfer sind dran für 8 Takte. Dann setzen die Klatscher wieder ein und nach weiteren 8 auch die Sänger, und so weiter.
Zu Beginn gibst du den Einsatz vor. Schnell werden die Kinder dies aber selbst merken und den Einsatz allein finden.
Durch dieses Spiel erzielst du ein Grundverständnis für den Takt und den richtigen Einsatz.
Taktspiel mit Bewegung
Eine weitere Stufe besteht dann darin, sich im Takt durch die Halle zu bewegen.. Jeder Schritt soll auf einen Schlag erfolgen.
Wechselt auch hier das Tempo der Musik, um die Schwierigkeitsstufe zu erhöhen. Zusätzlich könnt ihr die Kinder bitten, im Stil der Musik zu gehen. Bei leichter, filigraner Musik auf Zehenspitzen, bei tiefer Musik stampfend.
So könnt ihr Schritt für Schritt den Schwierigkeitsgrad erhöhen und führt die Kinder an das Marschieren ran.
Wenn gehen gut funktioniert, lasst sie im Takt der Musik durch die Halle hüpfen.
Die richtige Musikauswahl
Um das Tanzen im Takt eurer Kinder zu fördern, kommt es auch auf die richtige Musikauswahl an. Mittlerweile gibt es Vielzahl an Musiken für den Marsch- und Schautanz. Von klassischer über traditionelle bis hin zu poppiger Musik ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Hier solltet ihr als Trainerin bzw. Trainer jedoch nicht nur nach der persönlichen Vorliebe entscheiden. Je jünger die Tänzerinnen und Tänzer sind, umso wichtiger ist es, dass die Musik sich einfach vertanzen lässt.
Konkret heißt das: Achtet auf einen klar vernehmbaren Takt in der Musik. Die Schläge sollten deutlich zu hören sein. Vermeidet starke Tempo- und Lautstärkenwechsel und harte Schnitte, die die Musik unterbrechen.
So macht ihr es eurer Garde leichter, gemeinsam und synchron auf der Bühne zu strahlen.
Auf das Tempo kommt es an
Auch die Geschwindigkeit der Musik muss passen. Ist sie zu schnell, kommen die Tänzerinnen und Tänzer nicht hinterher und tanzen immer hinter dem Takt.
Doch auch zu langsam sollte sie nicht sein. Denn auch dann ist es extrem schwer, den Takt durchgehend zu halten. Da neigen sogar die Ü15 Tänzer*innen dazu, zu schnell zu werden.
Die Geschwindigkeit des Taktes drückt sich in den sogenannten BPM „Beats per Minute“ aus. Also wie viele Schläge die Musik pro Minuten hat.
Für den Gardetanz haben sich BPM zwischen 120 und 148 als passend erwiesen. Bei den jungen Gruppen langsamer, bei den älteren Gruppen schneller.
Eine Musik schneller oder langsamer zu stellen, ist mittlerweile kein Problem mehr. In meinem Video seht ihr, wie ihr das mit dem kostenfreien Programm „Audacity“ ganz leicht selbst machen könnt. So könnt ihr auch unterjährig das Tempo anpassen, solltet ihr beim Training merken, dass die Musik zu schnell oder zu langsam ist:
Gibt es Menschen ohne Taktgefühl?
Bleibt zum Abschluss eine Frage: Gibt es Menschen, die wirklich kein Taktgefühl haben und auch nicht erlernen können? Beim oder anderen Tänzer*in hat man ja manchmal schon dieses Gefühl.
Fakt ist, dass es tatsächlich Menschen gibt die große Probleme damit haben, Melodien, Töne und den Rhythmus einer Musik zu erkennen. Hier liegen dann allerdings genetisch bedingte Ursachen oder Verletzungen zu Grunde. Das auditorische System wurde verändert oder ist beschädigt.
Laut Studien sind rund vier Prozent aller Menschen davon betroffen. Allerdings gibt es auch Kritiken an den Untersuchungen, die der Studie zugrunde liegen. So wie die tatsächliche Zahl der Betroffenen von einem Psychologen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig als niedriger eingeschätzt.
Taktgefühl kann man lernen
Halten wir fest: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eure Tänzerinnen und Tänzer kein Taktgefühl besitzen. Wahrscheinlicher ist es, dass die koordinativen Fähigkeiten einfach noch nicht richtig geschult wurden.
Ihr habt wie bereits beschrieben einige Möglichkeiten, das richtige Taktgefühl zu vermitteln. Je früher ihr damit beginnt, desto besser.
Weitere Tipps und Hinweise sowie Spiele findet ihr wie bereits beschrieben im Buch „Optimales Training im Gardetanz“ von Nicole Vogel.
Ich wünsche euch für eurer Takttraining alles Gute!
Eure Lisa
keep-dancing.de
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