Von der Dorfgarde zur ersten DVG-Turnierteilnahme
Der Traum von der großen Bühne
Gardetanz ist ein Breitensport. Ähnlich wie Fußball findet man in fast jedem Örtchen in Deutschland die Möglichkeit, in einer Garde zu tanzen. Diese Hobby- bzw. Auftrittsgarden bezeichnen sich häufig auch selbst als „Dorfgarde“.
Das ist keinesfalls despektierlich gemeint. Vielmehr drückt es aus: Wir sind vom Dorf und wir machen Gardetanz – weil es uns Spaß macht, uns verbindet und unsere Leidenschaft ist.
Was für viele Garden perfekt ist, hat sich für die Garde von Mareike nicht mehr passend angefühlt. Sie wollten mehr. Rauf auf die Turnierbühne. Doch nicht im BDK, dem größten Karnevalsverband in Deutschland, sondern im DVG – dem Deutschen Verband für Garde- und Showtanz.
Im Interview berichtet Mareike, wie sie in den Coronajahren auf ihre erste Turniersaison hingearbeitet haben und wie diese schlussendlich verlaufen ist.
Interview mit der Trainerin der Showgarde Solero Guldental
Liebe Mareike, vielleicht magst du einmal kurz berichten, wer du bist, wen du trainierst und was es sonst noch so zu dir bzw. deiner Gruppe zu wissen gibt.
Hallo Lisa, erstmal vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview.
Ich bin 28 Jahre alt, komme aus dem wunderschönen Weindorf Guldental und arbeite als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin. Ich trainiere seit 5 Jahren unsere Prinzengarde, die Showgarde Solero beim Karnevalverein Sunneblum in Guldental. Zuerst als Co-Trainerin und nun als Haupttrainerin für den Gardetanz, der auch bis heute meine größte Leidenschaft ist.
Als aktive Tänzerin habe ich bei den Soleros vor 13 Jahren angefangen und bis zum Ende dieser Saison noch aktiv getanzt. Doch nach dieser Saison möchte ich mich endlich vollkommen der Aufgabe als Trainerin widmen.
Unser Trainerteam besteht aus vier Personen. Johanna als Trainerin für den Showtanz, Laetitia und Hannah sind für die Organisation zuständig und helfen, wo es geht, und ich bin die Trainerin für den Gardetanz. Jedoch unterstützen wir uns alle in jedem Bereich und sind überall beteiligt.
Unsere Gruppe besteht mittlerweile aus 20 Mädels im Alter von 13 bis 28 Jahren, welche alle Garde- sowie Showtanz tanzen.
Ihr seid nach einem Schnupperturnier 2020 in der Saison 2022/2023 das erste Mal beim DVG auf Turnieren gestartet. Wie bist du auf die Idee dazu gekommen?
Wir haben unseren Gardetanz zuvor hauptsächlich nur an unseren Fastnachtssitzungen getanzt. Für den Showtanz gibt es in unserer Umgebung deutlich mehr Chancen, den Tanz außerhalb der Fastnacht zu tanzen. Hier werden viele Showtanzabende und Freundschaftsturniere angeboten. Für den Gardetanz ist es eher schwierig.
Irgendwann kam bei uns der Wunsch auf, unseren Gardetanz häufiger tanzen zu können und auch mal bewerten zu lassen, da ja sehr viel Herzblut in so einem Tanz steckt. Außerdem glaubten wir, dass die Motivation im Training deutlich höher sein wird, da man ein größeres Ziel hat. Das hat sich auch so bewiesen.
Vom DVG-Stil „Marsch“ begeistert
Warum habt ihr euch für den DVG entschieden und nicht beispielsweise für den BDK oder RKK?
Vor ein paar Jahren fand in unserer Nähe ein DVG Masterscup statt. Dort tanzen nur die Besten der Besten der DVG-Turnierranglisten. Die Tänze an diesem Abend haben uns dann so begeistert, dass wie sprichwörtlich „Blut geleckt haben“ und auch gerne in diese Welt der DVG-Turniere eintauchen wollten.
Tatsächlich ist unser Karnevalsverein zuvor aber schon viele Jahre Mitglied beim DVG. Damals musste der Karnevalsverein, da er Tanzsport anbietet, dem Sportbund Rheinland e.V. beitreten und infolgedessen Mitglied bei einem Fachverband werden. Hier hat sich der KV Sunneblum dann für den DVG entschieden, wofür wir heute sehr dankbar sind.
Auch deshalb lag die Entscheidung für uns nahe bei den Turnieren des DVGs zu starten.
Im DVG gibt es ja verschiedene Disziplinen im Gardetanz. Magst du uns einmal erzählen, in welcher Disziplin ihr antretet und was diese auszeichnet?
Im DVG gibt es in der Disziplin Gardetanz die 2 Formen Polka und Marsch. Unsere Disziplin ist die Kategorie Gardetanz Marsch.
Der Marsch zeichnet sich beim DVG durch die zackigen und geradlinigen Bewegungen aus. Hier geht es weniger um Akrobatik, als um marschieren und viele hohe Beinwürfe.
So sieht ein Marschtanz im DVG aus:
Vom Auftritts- zum Turniertanz
Wie bist du an die Erstellung eines Turniertanzes herangegangen und wie hat sich euer Training durch die bevorstehende erste Turniersaison verändert?
Ohje, wo fange ich an? In den letzten Jahren ist unheimlich viel passiert. Als frischgebackene Trainerin, damals noch Co-Trainerin, konnte ich es kaum abwarten meinen ersten Marsch zu choreographieren.
Der erste Tanz war noch eher ein Mix aus dem alten, ich sage mal „klassischen“ Stil und typischen DVG Elementen. Der Tanz im Jahr darauf wurde dann vollständig nach den Regeln des DVGs choreographiert. Hier möchte ich betonen, dass so eine Veränderung ein Prozess ist und allen zukünftigen TrainerInnen Mut machen, dass nicht immer alles direkt perfekt sein muss. So bin ich deutlich entspannter an diesen Prozess, einen DVG Marsch zu choreographieren, herangegangen.
Von der Theorie zur Praxis
Die Motivation ein Marsch nach einem Regelwerk zu stellen war riesengroß, gleichzeitig hatte ich große Angst, wegen der ganzen Regeln etwas falsch zu machen. Gemeinsam mit der damaligen Trainerin besuchte ich ein Seminar beim DVG, worin wir 8 Stunden lang theoretische Inhalte über das Thema Gardetanz behandelten. Ich hätte damals nie gedacht, dass man 8 Stunden über das Thema sprechen kann. Aber es geht! Und 8 Stunden sind nicht mal genug dafür.
Dieses Seminar hat uns damals sehr geholfen in die ganze Thematik einzusteigen und das Regelwerk mit seinen ganzen theoretischen Schrittbeschreibungen, Pflichtelementen etc. zu verstehen. Wir haben zunehmend Dehnübungen und Ausdauertraining in unsere Trainingseinheiten eingebaut. Auch hier haben wir uns weitergebildet.
Ich habe angefangen den Trainingsablauf vorher zu planen und mir Ziele für jeden Training zu setzen. Außerdem habe ich Übungen fürs Training und für zu Hause zusammengestellt, um die Beinkraft, Beinhöhe und natürlich um die allgemeine Gelenkigkeit und Ausdauer zu erhöhen.
Corona ist mitten in euren Turnierstart gecrasht, nur ein Schnupperturnier konntet ihr 2020 tanzen. Dazu kam noch ein Trainerwechsel. Wie seid ihr mit diesen Herausforderungen umgegangen?
Anfangs half ich ja unserer damaligen Trainerin als Co-Trainerin beim Gardetanz, das war die Saison 2018/2019. Mit dem Marsch der Saison 2019/2020 wollten wir dann in der offenen Klasse des DVGs mehrmals starten, um uns für unsere erste richtige Saison in der Bundesliga vorzubereiten.
Leider brach nach unserem ersten Start Corona aus und es blieb bei diesem einen Turnierauftritt. Daraufhin mussten wir, wie alle anderen natürlich auch, das Training und allgemein die sozialen Kontakte herunterschrauben. Während der Zeit des Lockdowns haben wir über Zoom Onlineworkouts gemacht, um nicht ganz den Kontakt zur Gruppe zu verlieren.
Plötzlich Trainerin
Am Datum unserer Fastnachtssitzungen die 2021 coronabedingt ausfallen mussten, gab es für die Tanzgruppe eine kleine Überraschung und eine Zoom Kostümparty. So haben wir versucht die Gruppe zusammenzuhalten und ich denke das ist uns auch ganz gut gelungen. Zum Glück!
Im Sommer 2021 hörten die damaligen Trainerinnen für den Gardetanz und Showtanz recht plötzlich auf und übergaben mir die Tanzgruppe. Das war eine große Veränderung für uns alle. Einerseits fühlte ich mich sehr geehrt, dass die Trainerinnen die Tanzgruppe mit einem guten Gefühl in meine Hände geben konnten, andererseits hatte ich ehrlich gesagt große Angst einfach nicht gut genug zu sein. Auch nach mehreren Jahren Trainererfahrungen kommt hin und wieder so ein kleiner Moment von Unsicherheit und die Frage, ob man den Anforderungen der Tanzgruppe gerecht wird. Aber ich denke, diese Angst kennen viele neuen Trainerinnen und Trainer hin und wieder.
„Der Gardetanz ist einfach meine persönliche Leidenschaft“
Ich war von Anfang an aber natürlich nicht ganz allein. An meiner Seite hatte ich Laetitia, eine Freundin und ehemalige Tänzerin, welche sich bis heute um den organisatorischen Teil kümmert. Das hat mir damals sehr geholfen!
Ich merkte jedoch schnell, dass ich dem Marsch und dem Showtanz nicht gleichermaßen gerecht werden kann. Der Gardetanz ist einfach meine persönliche Leidenschaft und den Showtanz versuchte ich bestmöglich mit der Hilfe einiger Tanzmädels zu choreographieren. Doch hier kamen wir einfach an unsere Grenzen und merkten, dass wir jemanden brauchen, der genauso viel Leidenschaft für den Showtanz mitbringt, die das bei mir beim Gardetanz ist.
So holten wir Johanna in unser Trainerteam. Anfänglich hatten wir ehrlich gesagt unsere Schwierigkeiten. Es gab Kommunikationsschwierigkeiten, die Zusammenarbeit war eher schlecht als Recht. Wir waren zwischendurch beide sehr verzweifelt und wussten nicht, ob das so weitergehen kann.
Aber mit der Zeit wurde es tatsächlich immer besser. Wir haben mit der Zeit herausgefunden, dass wir meistens sogar einer Meinung sind, aber diese nur besser kommunizieren müssen. Auch die Zusammenarbeit funktioniert heute richtig gut und wir können uns oft sehr gut ergänzen. Ich möchte hier einfach verdeutlichen, dass nicht immer alles direkt gut klappt und harmonisch ist. Manchmal braucht es etwas Zeit, um zu sehen, dass man sich vielleicht lange Zeit nur missverstanden hat und die andere Person einfach genauso eine Leidenschaft mitbringt, wie man selbst.
Als Trainerteam funktionieren wir heute richtig gut! Zusätzlich kam Hannah als „Mädchen für alles“ in unser Team und so kann ich mir die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren richtig gut vorstellen. Laut den Rückmeldungen, die unsere Tanzmädels uns gegeben haben, sieht die Gruppe es genauso. Das macht mich richtig glücklich!
So funktionieren Turniere im DVG
Der DVG ist nach einem Liegensystem aufgebaut. Kannst du uns kurz erzählen, wie genau das funktioniert und wie die Wertung der Tänze dort abläuft?
Ja genau, beim DVG gibt es die 1., 2. und 3. Bundesliga. Jeder Tanz wird von 5 Wertungsrichter bewertet, wobei die beste und schlechteste Wertung wegfallen. Jeder Wertungsrichter kann eine Punktzahl von bis zu 100 Punkten vergeben, woraus sich dann eine erreichbare Höchstpunktzahl von 300 Punkten ergibt.
Man muss die Mindestpunktzahl der höheren Bundesliga mindestens zweimal in der Saison erreichen, um aufzusteigen. Wenn man nach dem Tanz von der Bühne geht, wird nach wenigen Minuten die Wertung auf einer großen Leinwand angezeigt. Dieses Gefühl des Wartens und wenn dann endlich die Wertung kommt, ist einfach einzigartig und unbeschreiblich.
Aktuell gibt es eine Arbeitsgruppe, die gerade daran arbeitet, das Turnierkonzept etwas zu erweitern. So können auch Tanzgruppen die bisher noch keinen Kontakt mit dem DVG hatten an den Turnieren teilnehmen und wenn sie möchten, Stück für Stück an das DVG-System herangeführt werden. Ich denke bald wird es dazu weitere Informationen geben.
Das erste Turnier im DVG
Im Januar 2023 stand dann nach drei Jahren das erste, richtige Turnier an. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet und wie ist das Turnier für euch gelaufen?
Training, Training, Training!
Tatsächlich waren die Mädels richtig motiviert und fleißig! Wir haben unsere Trainingszeiten etwas verlängert, früh angefangen dreimal die Woche zu trainieren und hatten ein richtig produktives Trainingswochenende.
Besonders dankbar bin ich für die Unterstützung durch den DVG. Ich konnte Videos unseres Tanzes an erfahrene Trainer schicken und bekam daraufhin wirklich tolles Feedback und konstruktive Kritik, wodurch wir den Tanz nochmal optimieren konnten.
Die riesengroße Hilfe war uns Stephan Karaiskos, der Vize-Präsident des DVGs. Er hat sich die Mühe gemacht, uns an unserem Trainingswochenende zu besuchen. Stephan hat sich unseren Tanz angeschaut, uns Tipps zur Choreographie, Ausstrahlung und vielen weiteren wichtigen Dingen gegeben. Außerdem hat er uns eine erste Bewertung abgegeben, was die Gruppe und mich als Trainerin bestärkt hat, in dem was wir tun. Endlich hatten wir das Gefühl, wirklich reif für den DVG zu sein und wir haben noch motivierter auf unser erstes Turnier hintrainiert.
In neuen Kostümen auf die Turnierbühne
Ein weiterer wichtiger Punkt war auch die Anschaffung neuer Kostüme. Der DVG hat einen deutlich anderen Stil, was Marschkostüme angeht, als wir als es bisher gewohnt waren. Hier sind z.B. Hüte verboten und eine Petticoat gibt es auch nicht.
Das Designen der neuen Kostüme hat unheimlich viel Spaß gemacht. Wir wollen uns jedoch noch nicht von unseren klassischen Gardetanzkostümen mit Hut und Petticoat trennen, da es für uns einfach zu Fastnacht dazugehört. Daher haben wir uns dazu entschieden, das neue Kostüm nur auf den Turnieren zu tragen und an der Fastnacht mit dem klassischen Kostüm zu tanzen. Für uns ist das genau der richtige Weg den beiden „Welten“ gerecht zu werden.
Rückblick auf die erste Turniersaison
Ende April wurde die Turniersaison im DVG beendet. Insgesamt seid ihr auf 4 Turnieren angetreten mit dem Ziel, in die zweite Bundesliga aufzusteigen. Was sagst du rückblickend zur Saison und konntet ihr euer Ziel erreichen?
Es war wirklich sehr aufregend! Von Vorfreude bis Lampenfieber war natürlich alles dabei. Ich weiß nicht wer vor so einem Auftritt aufgeregter ist, meine Tanzmädels oder ich als Trainerin.
Am Anfang ist es für Neulinge etwas schwierig das ganze System auf einem Turnier zu durchschauen. Wo gebe ich was ab? Wo muss ich mich wann melden? Doch man wird überall sehr lieb empfangen und bekommt überall geholfen. Diese Organisation vor und während des Turniers hat mir anfangs definitiv die meisten Nerven geraubt.
Aber das Wichtigste war, dass die Mädels gut vorbereitet waren und einfach Bock hatten! Sie kamen freudestrahlend von der Bühne und betonten immer wieder wie viel Spaß sie hatten und für mich als Trainerin ist das natürlich absolut das wichtigste!#
„Wir sind bereit!“
Unser Ziel als Tanzgruppe in der 3. Bundesliga war es, die 220 Punkte zu erreichen, da dies die Grenze zur 2. Bundesliga ist. Wir haben es jedes Mal geschafft, ziemlich knapp davor zu sein. Tatsächlich hat uns das nicht traurig, sondern eher richtig stolz gemacht. Wir waren stolz darauf in unserer ersten Saison als DVG-Tanzgruppe schon so knapp an der Punktzahl für die 2. Bundesliga herangekommen zu sein.
Rückblickend sind wir richtig glücklich über diese Saison. Wenn man bedenkt, dass wir nach Corona mit vielen neuen Tänzerinnen bei „Null“ gestartet sind und wenige Monate später auf der DVG-Bühne standen, macht uns das mächtig stolz.
Mit diesem Gefühl gehen wir nun in die nächste Saison. Die ersten Vorbereitungen laufen längst und für den neuen Marsch habe ich schon viele tolle Ideen. Wir sind bereit! Die nächste Saison kann also kommen!
Tipps zum DVG Turnierstart
Welche Tipps würdest du Garden und Trainerinnen mitgeben, die ebenfalls im DVG starten wollen?
Das Wichtigste zuerst: Traut euch!
Ich war zu Beginn auch erst mal von diesem riesigen Berg an neuen Herausforderungen erschlagen. Es ist wichtig einfach mal anzufangen. Holt euch Rat bei erfahrenen DVG-Trainern und plant erst mal drauf los. Der erste Tanz muss ja nicht direkt perfekt und Reif für die 1. Bundesliga sein.
Setzt euch selbst nicht so unter Druck und erwartet nicht zu viel von euch als Trainer oder von der Tanzgruppe. Jede Tanzgruppe hat mal klein angefangen. Ihr werdet euch von Saison zu Saison als Trainer und dadurch auch als Tanzgruppe weiterentwickeln.
Niemals den Mut verlieren und immer eine Flasche Sekt dabeihaben! Solange die TänzerInnen und ihr als Trainer Spaß an der Sache habt, habt ihr alles richtig gemacht!
Vielen Dank liebe Mareike 😊
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