Respekt vor der Trainerin
Wie ein respektvolles Miteinander das Gardetraining beeinflusst
Niemand hört mir zu!
Du stehst in der Trainingshalle. Für das heutige Training hast du dir vorgenommen, endlich die nächsten Schritte bis zur Beinreihe beizubringen. Du forderst deine Tänzer:innen auf, sich hinzustellen.
Keiner bewegt sich. Sie quatschen einfach weiter.
Ok, vielleicht haben sie dich nicht gehört. Du sagst es nochmal etwas lauter. Ein oder zwei setzen sich in Bewegung, die dritte rollt mit den Augen.
Du spürst Wut in dir aufsteigen. Respektiert dich hier überhaupt jemand?
Fehlt der Respekt vor dir als Trainerin?
Ja – der Job als Trainerin kann manchmal sehr frustrierend sein. Tänzerinnen die nicht richtig zuhören oder nicht ordentlich mitmachen – im schlimmsten Fall sogar freche Kommentare abgeben.
Das kann einen zur Weißglut treiben. Dabei will man doch nur eins: Einen tollen Tanz zusammen auf die Bühne bringen.
Wie schafft man es, dass die Tänzer:innen einen und vor allem die eigene Arbeit respektieren – und man dennoch eine gute, freundschaftliche Basis pflegt?
Darum geht es im heutigen Artikel.
Definition: Was ist eigentlich Respekt?
Bevor wir in die konkreten Probleme einsteigen schauen wir uns erstmal an, was Respekt überhaupt bedeutet – bzw. was wir Trainer:innen uns wünschen.
Für mich fallen folgende Punkte unter den Begriff Respekt:
- Zuhören: Aufmerksamkeit, wenn die Trainerin spricht und Unterlassung von Unterbrechungen, wenn andere sprechen
- Pünktlichkeit: Rechtzeitiges Erscheinen zu Trainings und Veranstaltungen und frühzeitiges Abmelden, wenn man nicht teilnehmen kann
- Disziplin: Die Anweisungen der Trainerin befolgen und sich an ggf. festgelegte Regeln im Training halten
- Engagement: Aktive Teilnahme am Training und an Übungen sowie Eigeninitiative zum Üben und Verbessern außerhalb der Trainingszeiten
- Ehrlichkeit: Aufrichtigkeit in der Kommunikation mit der Trainerin und Teamkolleginnen
- Vertrauen: Vertrauen in die Entscheidungen und Fähigkeiten der Trainerin, sich auf die Trainerin verlassen können, dass sie im besten Interesse des Teams handelt
- Unterstützung: Unterstützung der Trainerin und der Teamkolleginnen und Hilfe für andere Tänzerinnen, wenn nötig
- Gegenseitiger Respekt: Respektvoller Umgang miteinander, unabhängig von Leistungsstufen oder Rollen im Team sowie Akzeptanz von Vielfalt und individuellen Unterschieden
Es geht also um viel mehr, als nur das „Zuhören“ im Training. Man kann auf vielfältige Art zeigen, dass man die Trainerin aber auch die anderen Teammitglieder respektiert.
Warum ist Respekt so wichtig für das Training?
Wie fühlst du dich, wenn du die Punkte die unter den Begriff Respekt fallen, so liest? Positiv? Zufrieden? Glücklich?
Genau das ist es, was ein respektvoller Umgang im Training schafft: Eine positive Atmosphäre in der man sich wohl fühlt und in der man gern zusammen kommt.
Ein respektvoller Umgang untereinander trägt also immens zur Zufriedenheit und Motivation aller Beteiligten bei. Dadurch wird eine positive Lernumgebung geschaffen, in der man gerne neues lernt und auch Fehler kein Problem sind.
Das Training wird effizienter genutzt, da es weniger Konflikte und Ablenkungen gibt. Es bleibt also mehr Zeit für die tatsächlichen Übungen und Schritte und somit zur Verbesserung der eigenen Leistung.
Außerdem fördert Respekt den Zusammenhalt innerhalb des Teams. Teams, die einen gegenseitigen Respekt pflegen, erleben oft eine stärkere Bindung und eine verbesserte Zusammenarbeit.
Wichtige Fähigkeiten fürs Leben
Neben den reinen Trainingseffekten lernen Tänzer:innen durch einen respektvollen Umgang miteinander auch effektiv zu Kommunizieren und Konflikte zu lösen – Fähigkeiten, die auch im späteren Berufsleben von Bedeutung sind.
Außerdem tragen Teams, in denen Respekt die Grundlage bildet, zur Entwicklung eines positiven Selbstbildes bei den Tänzerinnen bei. Dies führt zu einer höheren Selbstachtung und Motivation, was sich nicht nur auf ihre Leistung im Tanz, sondern auch auf andere Lebensbereiche positiv auswirken kann.
Ein respektvolles Umfeld hilft Tänzerinnen, resiliente und anpassungsfähige Persönlichkeiten zu entwickeln. Sie lernen, Feedback konstruktiv zu nutzen und Herausforderungen positiv zu begegnen, was für die Bewältigung von Druck und Misserfolg entscheidend ist.
Mangelnder Respekt – Auf der Suche nach Gründen
Kommen wir zurück aus der Friede-Freude-Eierkuchen-Welt in die Realität. Warum sieht es häufig in den Trainingshallen alles andere als rosarot und respektvoll aus?
Eine These die ich in den letzten Monaten immer häufiger höre: „Die neue Generation Tänzer ist einfach faul und undiszipliniert. Wir waren früher nicht so.“
Ein Generationenproblem?
Früher war alles besser. Das Thema beherrscht die Presse – im Kontext der Arbeitswelt. Mit der Generation Z kann man nichts mehr anfangen, die sind nicht mehr belastbar, die können keine 40-Stunden mehr arbeiten, bla bla bla.
Ich bin der Meinung: Nein, es ist kein Generationenproblem.
Ja: Die Generationen ändern sich. Wir sind anders als es unsere Eltern waren und als es unsere Kinder sein werden. Und das ist auch gut so. Denn was wäre, wenn wir, wenn unsere Welt sich nicht verändern würde?
Dann hätten wir viele tolle Errungenschaften nie erreicht.
Doch was bedeutet das fürs Training? Wir müssen uns auf die neue Generation Tänzer einlassen, schauen was sie bewegt und warum sie sind, wie sie sind – und wie wir die Motivation aus ihnen rauskitzeln können.
Die Altersklassen
Wichtig, um einen respektvollen Umgang zu schaffen, ist die Differenzierung nach Altersklassen. Kinder haben nun einmal andere Anforderungen als junge Erwachsene.
Schauen wir uns einmal den Bereich „Zuhören“ an. Kinder von 7-10 Jahren haben eine Aufmerksamkeitsspanne von durchschnittlich 20 Minuten. Unruhe im Training? Vielleicht brauchen die Kids einfach mal eine Pause.
Bei Ü15 Tänzerinnen sieht es anders aus. Hier liegt der Schnitt bei 90 Minuten – ungefähr unsere Trainingszeit. Wenn hier Unruhe herrscht, hat das also andere Gründe. Vielleicht gibt es Konflikte in der Gruppe? Oder Themen aus dem Privatleben, die mit ins Training genommen werden?
Wenn du Ruhe in die Gruppe bringen willst, musst du der Quelle auf den Grund gehen – auch auf Kosten der Trainingszeit.
Die Friendzone
Für uns Trainer ist es ein Balanceakt. Wir lieben unsere Tänzerinnen und Tänzer, wollen aber auch respektiert werden. Wir müssen teilweise harte Entscheidungen treffen, wollen aber dennoch, das man uns mag.
Vor allem wenn die Tänzer:innen älter sind besteht die Gefahr, in die Friendzone zu rutschen. Dass ist der Bereich, wo die Tänzer:innen einen nicht mehr richtig ernst nehmen und nur noch als Freundin sehen – nicht mehr als Trainerin.
Hier gilt es, klare Grenzen zu setzen und die Aufgaben und Kompetenzen deutlich zu machen – Stichwort: Auftreten.
Ein Schrei nach Aufmerksamkeit
Als Trainerin bist du eine wichtige Bezugsperson, vor allem für junge Tänzerinnen. Sie blicken zu dir auf, du bist vielleicht sogar ihr Vorbild. Klingt komisch, wenn sie laut sind und das Training stören – oder?
Nein, denn was passiert? Du widmest ihnen Aufmerksamkeit. Meist jedoch eher negative. Das ist unbefriedigend – für beide Seiten.
Sei dir also deiner Rolle als Vorbild bewusst und schenke jedem deiner Tänzerinnen Aufmerksamkeit. Höre zu, wenn sie dir etwas erzählen. Frage aktiv nach, wie es mit dem Spagat der den neuen Schritten läuft.
Manche Kinder brauchen mehr Aufmerksamkeit als andere – das findest du als Trainerin aber recht schnell heraus, wenn du genau hinschaust.
Endlich mehr Respekt – 3 wirkungsvolle Strategien
Nun kennst du ein paar Gründe und auch, welche Vorteile ein respektvolles Miteinander für das Training bringt. Doch wie erreicht man das nun?
Eins vorab: Das ist nichts, was du von heute auf morgen aufbauen kannst. Es ist ein Prozess, der je nach Ausgangslage auch mehrere Jahre brauchen kann.
Aber es lohnt sich dranzubleiben. Für beide Seiten und die gesamte Trainingskultur.
1. Kommunikation ist das A&O
Es kommt dir bestimmt schon zu den Ohren raus – aber ohne Kommunikation geht es nicht. Sprich offen über deine Ziele für deine Gruppe, deine Wünsche und was dazu nötig ist. Frag auch deine Tänzer:innen, was sie erreichen wollen.
Und das nicht nur einmal – sondern immer wieder. Erkläre auch die Hintergründe. Warum sollen sie sich zuhause dehnen? Warum sollen sie pünktlich im Training sein? Ziel ist es hier, ein Verständnis zu schaffen.
Gleichzeitig hab aber auch ein offenes Ohr – und offene Augen. Du spürst als Trainerin sehr gut, wenn sich deine Tänzer:innen ungewohnt verhalten. Sprich sie an, offen und ehrlich – und ohne Unterton.
Kommunikation ist die Basis für alles – von Respekt über Disziplin bis zu Motivation.
Wenn du mehr dazu lesen willst, schau gern mal in meinem Artikel „Gewaltfreie Kommunikation“ und „Feedback geben“ vorbei.
2. Partizipation – Mach Betroffene zu Beteiligten
Du wünscht dir mehr Respekt? Dann lass deine Tänzer:innen doch mal ein paar deiner Aufgaben übernehmen. Bei Kindern zum Beispiel die Auswahl des Aufwärmspiels oder das Zusammenstellen der Stühle am Ende des Trainings.
Bei den älteren kann die Verantwortung schon etwas größer sein. Was, wenn ihr gemeinsam an Requisiten oder Kostümen bastelt? Du ein Schminkteam oder Hut-Steck-Team aus deinen größeren Mädels machst?
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, deine Tänzerinnen und Tänzer aktiv am Training teilnehmen zu lassen. Durch diese Beteiligung wächst auch der Respekt – weil sie sehen, was du alles machst uns wie schwer es teilweise ist.
Mehr zum Thema Partizipation liest du auch in diesem Blogartikel.
3. Du bist der Spiegel: Dein eigenes Auftreten
Ob Kinder oder Teenager – diese Altersklasse lernt vor allem durch abschauen.
- Du möchtest, dass deine Tänzer:innen pünktlich sind? Dann sei auch du pünktlich im Training.
- Du willst, dass sie dir zuhören? Dann höre selbst zu, wenn sie dir etwas erzählen.
- Sie sollen bei den Übungen richtig mitmachen? Dann mach selbst aktiv mit und sei ein Vorbild.
Deine Tänzer:innen spiegeln dein Verhalten – sei dir dessen immer bewusst.
Sei höflich und freundlich – aber auch konkret und anspruchvoll. Wenn du willst, dass deine Tänzer:innen aufstehen und sich hinstellen, dann sage das laut und deutlich. Wenn du merkst, dass sie tief im Gespräch stecken, geh zu ihnen hin und fordere sie freundlich aber bestimmt auf, ihr Gespräch später fortzusetzen.
Du hast es in der Hand, wie deine Tänzer:innen dich wahrnehmen.
Mehr Respekt – Mehr Geduld
Wir alle wünschen uns Respekt im Training – doch tun wir auch alles dafür? Mit den Strategien aus diesem Artikel hast du nun alle Mittel in der Hand, um dein Training zukünftig respektvoller zu gestalten. Und so langfristig zu einer positiven Trainingsatmosphäre beizutragen.
Ich wünsche dir bei der Umsetzung der Tipps viel Erfolg.
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