Mobbing im Gardetanz
Teamsport – Oder was?
Heute möchte ich mich mal einem etwas ernsterem Thema zuwenden, über welches viel zu selten gesprochen wird. Und dennoch ist fast jeder schon einmal damit in Berührung gekommen: Mobbing.
Manch eine bzw. einer hat es als Kind selbst erfahren. Ob als Opfer oder als Täter. Beide Positionen sind im Rückspiegel betrachtet und aus den Augen eines Erwachsenen nicht gut.
Heute möchte ich euch aufklären, wie Mobbing eigentlich entsteht, welche Auswirkungen es auf die Betroffenen haben kann und was ihr selbst als Trainer oder Trainerin tun könnt, wenn ihr in eurer Tanzgarde mit Mobbing konfrontiert werden.
Ein Hinweis zu Beginn: Natürlich hatte ich in meiner Trainerzeit auch schon das ein oder andere Mal mit dem Thema zu tun. Daher spreche ich hier von Erfahrungswerten. Mir ist aber wichtig an dieser Stelle bereits klar zu stellen, dass ich mit meinem Beitrag auf niemandem mit dem Finger zeigen möchte. Ich möchte niemanden Bloßstellen und bin auch niemandem persönlich böse. Ich hoffe, ihr Leserinnen und Leser versteht das.
Mobbing: Nur eine Fassade
Mobbing geschieht immer nach einem gewissen System und regelmäßig. In meinen Augen ist aktives und aggressives Mobbing eine Art der Körperverletzung, welche auch vorrangig durch Mädchen ausgeübt wird. Während Jungs eher handgreiflich werden und zu den Fäusten greifen, verletzten Mädchen mit Worten – was genauso weh tun kann.
Doch was steckt dahinter? In den meisten Fällen verbirgt der Täter einen tieferen Kern für den ausgeübten Angriff in sich. Vor allem im Sport können Eifersucht und Konkurrenzdenken zu Mobbingattacken führen. Fehlendes Selbstbewusstsein, Unsicherheit und ein „sich beweisen müssen“ sind eine Basis für solche Angriffe.
Mit diesen Gefühlen kann man in zwei Richtungen tendieren: Aggression oder Depression. Wer zu Aggression neigt, der lässt seine Gefühle eher an anderen aus und wird so zum Täter. Wer eher zur Depression neigt, frisst die Unsicherheit in sich rein und kommt so sehr einfach in die Opferrolle.
Keine Rechtfertigung für Mobbing
Auch psychische Probleme zuhause oder eigenes erfahrenes Mobbing kann jemanden zum Täter werden lassen. Beispielsweise kann es sein, dass man in der Schule regelmäßig gemobbt wird, weil man hier das vermeintlich schwächste Glied ist. Das führt zu inneren Aggressionen, welche man dann im Sport, zum Beispiel im Gardetanz, am dort schwächsten Tänzer bzw. Tänzerin auslässt. Ein Teufelskreis.
Aber: Keine Rechtfertigung. Denn nicht umsonst gilt Mobbing als Körperverletzung. Die seelischen Schäden die ein Mensch, vor allem Kinder an Mobbing davontragen, verheilen nur langsam oder nie. So wird man ohne Hilfe zu einem unsicheren Erwachsenen und geht „geduckt“ durchs Leben. Es ist also an uns Trainerinnen und Trainern, Mobbing im Training frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden.
Wie erkenne ich Mobbing?
Doch das Erkennen ist gar nicht so einfach. Oft stellen es Kinder sehr geschickt an, seelische Gewalt so auszuüben, dass Erwachsene diese nicht direkt mitbekommen. Und die Opfer sind meistens so eingeschüchtert, dass sie aus Angst vor dem nächsten Angriff nicht darüber sprechen.
Macht also im Training die Augen auf und beobachtet eure Schützlinge ganz genau. Folgende Anzeichen können euch einen Hinweis geben:
- Einzelne Tänzerinnen oder Tänzer werden von der Gruppe isoliert, sitzen immer allein und unterhalten sich in den Pausen nicht mit anderen
- Die Täter sprechen verletzend zu den Opfern und geben es als Scherz „ist doch nur Spaß“ aus
- Kinder werden beim Trainer angeschwärzt „sie hat aber das und das gemacht“
- Bei Teamspielen oder Zeltlagern wird das Kind immer als letztes oder gar nicht gewählt „mit der gehe ich nicht ins Zelt“
- Offene Beleidigungen „die ist zu fett für das Kostüm“
- Beim Tanzen in Gruppen kichern, mit dem Nachbarn flüstern
- Verletzende Sprüche und Beleidigungen zum Beispiel im WhatsApp-Status
- Ein Mädchen möchte auf einmal und ohne erkennbaren sportlichen Grund aus der Garde austreten
- Ein Kind verbreitet Lügen oder Gerüchte über andere
- Es wird beim Vortanzen ein Mädchen besonders kritisiert und auch persönlich angegriffen
- Im Extremfall kommt es zu Sabotage, beispielsweise wird am Auftrittstag die Strumpfhose oder die Schuhe versteckt
Die Folgen von Mobbing
Wie bereits erwähnt führt Mobbing zu seelischen und psychischen Schäden beim Opfer. Das kann sich zum Beispiel so äußern, dass das betroffene Kind sich immer weiter in seine kleine, innere Welt zurückzieht und sich der Außenwelt verschließt.
Es wird ruhiger und teilt seine Sorgen mit keinem anderen mehr. Dass ist ein Schutzreflex, um keine Angriffsfläche mehr zur bieten.
Im Training wirkt das Kind abwesend, es tanzt nur mit halbem Herz, um nicht in Gefahr zu kommen, etwas falsch zu machen und wieder eine Angriffsfläche zu bieten. Oder es kommt plötzlich nur noch unregelmäßig und immer weniger zum Training.
Die seelischen Schäden nimmt das Kind mit bis ins Erwachsenenleben. Auch im Job wird solch eine Person eher zurückhaltend agieren und fasst nur sehr langsam Vertrauen zu anderen Personen. Ein gesundes Selbstbewusstsein kann sich so nicht ausprägen.
Das kannst du tun: Täter und Opfer erkennen
Um solch eine Nachwirkung zu vermeiden ist es an dir als Trainerin oder Trainer, frühzeitig die Anzeichen zu deuten und eine Lösung des Problems herbeizuführen.
Im ersten Schritt gilt es, die fünf Gruppen zu identifizieren. Fünf Gruppen? Ja, denn neben Täter und Opfer gibt es noch die Gruppe der Mitläufer, der Zuschauer und der Wegschauer. Ich will dir an dieser Stelle kurz die einzelnen Gruppen erklären:
Täter: In den meisten Fällen gibt es einen Haupttäter, der aus einem der oben genannten Gründe sein Opfer regelmäßig und systematisch mobbt. Viele Täter sind geschickt darin, ihre Angriffe zu verbergen und daher meist auch notorische Lügner.
Opfer: Das Opfer rutscht in den meisten Fällen ohne eigenes Verschulden in diese Rolle. Sobald es merkt, was geschehen ist, ist es meist bereits zu spät, um allein aus der Rolle herauszufinden.
Mitläufer: Die Mitläufer hängen sich an den Täter dran, unterstützen ihn bei seinen Angriffen. So wollen sie die Anerkennung des Täters gewinnen.
Zuschauer: Stehen auch auf der Seite des Täters. Sie benötigen allerdings keine Anerkennung, wodurch sie keine aktiven Angriffe ausüben, das Opfer aber auch nicht in Schutz nehmen.
Wegschauer: Finden das Ganze nicht gut, haben aber selbst zu viel Angst Aufmerksamkeit zu erregen und so selbst zum Opfer zu werden. Daher verschließen sie zum Eigenschutz die Augen vor den Angriffen.
Konflikte lösen durch Kommunikation
Sicherlich kannst du als Trainerin oder Trainer deine Schützlinge am Besten in eine der Kategorien einsortieren. Schließlich verbringst du sehr viel und auch intensive Zeit mit deinen Tänzerinnen und Tänzern.
Hast du die Gruppen identifiziert, dann empfehle ich dir, mit jeder einmal zu sprechen und dir ein eigenes Bild zu machen. Dabei musst du behutsam und geduldig vorgehen. Durch einfühlsame Fragen gilt es, die Wahrheit und den Kern herauszufinden.
- Wie geht es dir?
- Macht dir das Training Spaß?
- Wie verstehst du dich mit den anderen?
- Was belastet dich?
- Wie läuft es in der Schule?
- Ist zuhause alles ok?
Vorsicht: Bei diesem Gespräch können sehr leicht die Tränchen kullern. Sei darauf vorbereitet und nimm deine Kids auch mal in den Arm.
Nachdem du mit jedem Einzelnen gesprochen und dir einen eigenen Eindruck der Situation gebildet hast, kommt der härteste Moment: Das Gespräch mit dem Täter.
Wie du die Angriffe des Täters stoppen kannst
Das Gespräch ist deshalb hart, weil du mit vielen Lügen und Falschaussagen sowie einem Blocken und „Dichtmachen“ konfrontiert wird. Nimm dir daher ausreichend Zeit für das Gespräch. Halte in diesen Momenten auch mal ein paar Minuten Stille aus. Gib dem Täter Zeit, sein Verhalten zu reflektieren.
Und dann: Hinterfrage. Wieso machst du das? Was hat dir das andere Kind getan? Was willst du mit deinem Angriff erreichen? Was bringt dir dein Angriff?
Ziel ist es, dem Täter aufzuzeigen, dass er keinen Vorteil vom Mobbing hat und ihm eine Lösung anzubieten, wie er mit seiner Aggression stattdessen umgehen kann. Zeige ihm oder ihr, dass du immer ein offenes Ohr hast auch für Probleme, die nicht direkt im Training gelagert sind. Und dass es keinen Grund gibt, jemand anderen für diese verantwortlich zu machen.
Hat der Täter sein Verhalten eingesehen, dann ist es an der Zeit, Opfer und Täter für eine Aussprache zusammen zu führen. Dabei reicht nicht ein Einfaches „Sorry“. Vielmehr solltest du dabei sein und beim Gespräch vermitteln.
Lass beide Parteien ihre Gefühle und Hintergründe für das Verhalten erklären, um so ein Verständnis füreinander zu erzeugen.
Mobbing im Team ansprechen
Natürlich wird das Team von diesen Gesprächen erfahren. Daher gehe am besten direkt aktiv damit um und rufe eine Teambesprechung ein.
Kläre auf, was Mobbing bedeutet und was Mobbing mit einem macht. Dass es keinen Vorteil bringt – für keine Seite.
Kläre außerdem auf, dass dieser Sport nur als Team funktioniert. Dass es keinen gibt der bevorzugt oder benachteiligt wird. Das jeder eine wichtige Funktion hat und wertvoll für das Team ist.
Lass die Mädchen oder Jungs anschließend zum Beispiel ein gemeinsames Plakat gestalteten, zum Thema Team und Zusammenhalt. Oder starte eine Komplimente-Runde. Dafür braucht nur jedes Kind einen Zettel und einen Stift. Oben auf den Zettel schreibt das Kind seinen Namen und gibt den Zettel an den linken Nachbarn weiter.
Dieser schreibt dort etwas positives über das Kind. Ob privat oder in Bezug auf den Sport ist egal. Dann geht der Zettel reihum. Am Ende hat jedes Kind dann einen Zettel mit lauter positiven Dingen und Eigenschaften in der Hand.
Ich hoffe, allen betroffenen Trainer*innen, Eltern und Tänzer*innen mit diesem Beitrag eine Hilfestellung geben zu können. Ihr müsst da nicht allein durch.
Habt ihr selbst schon Erfahrungen mit Mobbing gemacht? Dann schreibt mir gerne eine Nachricht oder einen Kommentar.
Eure Lisa
keep-dancing.de
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