In 7 Schritten zur Gardetanz Choreographie
von Sabrina Pachl
Die Trainingspause effektiv nutzen
Die Auftritte sind geschafft, die Erleichterung ist groß, die Freude über das Erlebte grenzenlos. Als Team habt ihr super harmoniert und die Leistung auf der Bühne war wie ihr es euch vorgestellt habt. Doch nach dem Auftritt ist vor dem Auftritt. Vielleicht legt ihr eine kleine Pause ein und sammelt Kraft für die nächste Session?
Als Trainer:in ist diese Pause immer etwas kürzer, denn die erste und vielleicht sogar wichtigste Aufgabe beginnt nun: ein neuer Tanz wartet darauf gestellt zu werden! Fragt ihr euch auch manchmal, wie ihr das im letzten Jahr nur geschafft habt? Mit ein bisschen Planung und Strategie wird es euch um einiges leichter fallen.
Wer tanzt mit, wer hört auf und wer kann was?
Die erste Frage die ihr euch oder eher den Tänzer:innen stellen solltet, ist die danach, wer im nächsten Jahr noch dabei ist. Wenn ihr schon länger in einer Tanzgruppe aktiv seid, kennt ihr wahrscheinlich diese Treffen kurz nach der vergangenen Session in denen eine kleine Bestandsaufnahme gemacht wird.
Dies ist tatsächlich nicht zu vernachlässigen, denn der anstehende Tanz variiert stark mit der Teilnehmerzahl: Manche Bilder wirken einfach nur mit vielen Tänzer:innen, für machen Hebungen braucht man eine gewisse Anzahl an Hebern und an Hebemädchen, für manche Akrobatikelemente benötigt man hingegen viel Platz. Mit diesem ersten Schritt stellt ihr somit die Umrisse eurer Planung auf.
Kennt ihr nun die Anzahl, dann solltet ihr euch einen groben Überblick über die Fähigkeiten eurer Tänzer:innen verschaffen. Vereinbart doch einfach ein Probetraining, auf dem ihr euch die neuen Tänzer:innen anschaut und euch kleine Notizen macht. Bedenkt aber auch, dass eure „alten“ Tänzer:innen jedoch auch an Können gewonnen oder verloren haben. Hilfreich ist es, wenn ihr euch Notizen macht zu verschiedenen Akrobatikelementen und kurzen Schrittkombinationen. Denkt auch daran, eine Liste zu erstellen in der ihr die Tänzer:innen nach ihrer Größe ordnet. Das ist besonders wichtig, wenn ihr im Folgenenden Bilder stellen wollt.
Die Musik als Basis der Choreographie
Sobald eure Tänzerliste steht, geht es an die Musikauswahl. Hier ist es besonders abhängig von dem Publikum, das ihr ansprechen möchtet. Tanzt eure Gruppe auf Turnieren? Auf Kindersitzungen? Auf Abendsitzungen? Seid ihr gerne eher klassisch orientiert oder modern? Mit Gesang oder ohne? Seid ihr eine Gruppe, die nicht auf Turnieren auftritt, so ist eurer Kreativität keine Grenzen gesetzt.
Fertige Zusammenschnitte von meist drei bis vier Liedern findet ihr auf CDs. Natürlich könnt ihr euch aber auch Lieder aussuchen und euch diese selbst zusammenschneiden. Hierfür legt ihr euch am besten bei Spotify, Amazon Musik oder anderen Streaming-Anbietern eine Playlist an, die ihr über das Jahr verteilt immer wieder mit Liedern füllt, auf die euch vorstellen könnt zu tanzen. Mit der Zeit wird euch der Algorithmus dieser Plattformen weitere Lieder vorschlagen, die zu eurer Stilrichtung passen.
Das Zusammenschneiden der Musik erfordert etwas Übung, wobei ihr die Basics aber auch in Onlinekursen wie dem Musikschnitt für Garde- und Showtanz Onlinekurs lernen könnt. So erstellt ihr eine einzigartige Musikkombination ganz nach euren Wünschen.
Erst die grobe Einteilung der Gardemusik
Die Tänzerliste steht, die Musik ist ausgesucht und geschnitten: Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Am besten lässt du die Musik immer und immer wieder laufen, damit du ein Gefühl für das Lied bekommst. Schnell wirst du merken, dass sich hinter dem großen Ganzen mehrere kleinere Abschnitte verstecken.
Wenn du das Gefühl hast die Melodie verinnerlicht zu haben, setzt du dich mit Zettel und Stift hin und fängst an den Tanz „auszuzählen“. Das bedeutet du zählst wirklich jeden (!) Achter in dem gesamten Lied durch. Hierfür mache ich mir für jeden Achter, den ich fertig gezählt habe, einen senkrechten Strich und für jeden halben Achter bzw. Vierer einen waagerechten Strich.
Beim Hören wirst du merken, dass die Musik dir vorgibt, wo gewisse Abschnitte enden bzw. welche Melodie sich für einen Positionswechsel bzw. für gewissen Akrobatikelemente eignet. Teile deine Striche in Päckchen ein: das bedeutet, dass du jedes Mal, wenn eine neue Sequenz beginnt, du deine Strichliste in der nächsten Reihe fortführst. Diesen Schritt solltest du mehrmals wiederholen, denn mit jedem Durchlauf fokussiert sich dein Gehör auf gewisse, immer kleiner werdende Abschnitte.
Vielleicht kommen dir hierbei auch schon erste Ideen? Sagt dir die eine Melodie eventuell, dass du hier eine Beinwurfreihe oder eine Radkombinationen hinbauen sollst? Dann schreib es dir einfach an den Rand. Am besten lässt du diese grobe Planung ein paar Tage liegen und setzt dich erneut mit deinen Aufzeichnungen hin. Sieh dir deine Strichliste genau an und stell dir die angedachten Elemente in Kombination vor. Du wirst merken, wie deine Gedanken immer konkreter werden.
Den Gardetanz gestalten: Akrobatik first
Kommen wir nun zu dem für die Tänzer:innen wohl anstrengendsten Part, der Akrobatik bzw. den Schwierigkeiten. Zuerst überlege ich, welche Akrobatikelemente eingebaut werden sollen. Was war im letzten Tanz verbaut, kann man diese Elemente verbessern oder eventuell auf eine anspruchsvollere Stufe bringen, indem man sie z.B. kombiniert? Scheibe sie auf und notiere auch, wie viele Zähleinheiten du voraussichtlich hierfür einplanen musst.
Mit dieser Liste höre ich mir die Musik erneut an und markiere mir die Stellen, an denen die Elemente untergebracht werden sollen. Achte hierbei darauf, dass du eine gewisse Vielfalt und Abwechslung zeigst. Du solltest auch nicht vergessen, dass deine Tänzer:innen am Anfang eines Tanzes noch mehr Kraft haben als gegen Ende. Auch hat es sich bewährt, gleich zu Beginn des Auftrittes einen so genannten Wow-Moment zu schaffen. Ein überraschendes Akrobatikelement gleich in der Grundposition erregt die Aufmerksamkeit des Publikums.
Habt ihr ein Akrobatikelement, das besonders sicher sitzt? Dann eignet sich auch dieses gut für den ersten Teil des Tanzes: ein bereits geglücktes und gelungenes Akrobatikelement pusht die Tänzer:innen während des Auftrittes mit Sicherheit! Und das werden sie ausstrahlen. Du hast also alle Akrobatikelemente untergebracht und die dafür benötigten Zähleinheiten gestrichen? Dann kann es weitergehen.
Vorne, hinten, im V oder doch der Kreis – Positionen und Laufwege
Nicht zu unterschätzen sind die Positionen bzw. die Bilder, in denen die Gruppe tanzt. Der gleiche Schritt, die gleiche Hebung oder das gleiche Akrobatikelement wirkt in den unterschiedlichen Bildern mal mehr, mal weniger. Deine Akrobatikelemente stehen bereits fest. Überlege dir nun wieviel Platz deine Tänzer:innen hierfür machen und in welchem Bild dieses Element wohl am besten wirkt.
Manche Elemente bringen eine Bewegung bzw. eine Verschiebung des Bildes mit sich, plane dies mit ein. Um es dir besser vorstellen zu können, kannst du dir die Positionen entweder aufzeichnen oder in einer App eintragen. Wenn du hiermit fertig bist, hörst du dir erneut die Musik an und versucht herauszuhören, ob du weitere Stellen findest, die einen Positionswechsel andeuten. Auch diese Stellen markierst du wieder in deiner Strichliste und stellst dazu Positionen. Achte auch hier auf Abwechslung in den Bildern. Inspirationen für mögliche Aufstellung findest du auch in dieser kostenlosen PDF.
Stehen alle Bilder fest, so verknüpfst du die Kreuze in den Skizzen mit Namen. Wer steht wo? Hab hierbei nicht nur das Können deiner Tänzer:innen im Hinterkopf sondern auch die Körpergröße! Hier helfen dir die Listen, die du zu Beginn erstellt hattest. Trainierst du eine kleinere Garde und ihr tanzt nicht auf Turnieren? Dann beachte dabei, dass es in manchen Altersklassen sehr wichtig sein kann, jedem Kind, das es sich wünscht, die Möglichkeit zu geben bei bestimmten Passagen vorne tanzen zu dürfen.
Mit steigendem Alter ist dies etwas zu vernachlässigen, wobei es auch ein gutes Mittel sein kann, aus dem/der ein oder anderen Tänzer:in das Beste herauszukitzeln. Kleinigkeiten kannst du aber an den Positionen auch später noch ändern, denn manchmal wirst du merken, dass es nicht so funktioniert, wie es in deinem Kopf aussah. Nun hast du bereits deine Positionen festgelegt und deine Akrobatikelemente untergebracht. Der Rest wird Gefühlssache.
Schritte für den Gardetanz: Vielfalt, Komplexität, Außenwirkung
Deine Strichliste wird dir nun genau sagen, welche Achter noch offen sind. Jetzt kommen wir zu dem eigentlichen Tanzen. Deine Positionen, die du im vorherigen Schritt festgelegt hast, sagen dir wann deine Gruppe wo sein soll. Oft „sagt“ dir die Melodie bereits, wann du einen Schritt in Bewegung einbauen solltest. Deiner Kreativität sind nun keine Grenzen mehr gesetzt. Schiebe-, Kreuz- oder Hacke-Spitze-Schritte können kombiniert werden. Auch Sprünge der unterschiedlichsten Art entgegnen einer drohenden Monotonie.
Versuche mit verschiedenen Armkombinationen die Schritte aufzuwerten und erhöhe hiermit den Schwierigkeitsgrad. Auch der Kopf bringt Abwechslung in die Schrittkombinationen. Schwierig und komplex aber schön anzusehen sind auch Kombinationen, bei denen die Arme und Beine nicht gleichzeitig oder gleichseitig kombiniert werden: Linkes Bein, rechter Arm. Lasse deine Tänzer:innen mit einem Bewegungsschritt nach links tanzen, mit dem Kopf jedoch noch rechts schauen. Dieses Element kannst du auch gut in einer Kreisposition verbauen.
Inspiration finden
Fehlen dir Ideen für neue Schritte? Manchmal kann es helfen eine Liste aus einzelnen Schrittelementen neben dir liegen zu haben und abzuhaken, was du bereits untergebracht hast. Oder du lässt die Musik laufen und fängst einfach instinktiv an dich zu bewegen. Hast du eine absolute Blockade und kommst nicht? Überspring diese Sequenz und mach dort weiter, wo die Ideen sprühen.
Eine Choreographie lässt sich nicht mit Druck schreiben. Manchmal hilft es aber auch, sich von anderen Videos anderer Gruppen inspirieren zu lassen. Social Media oder YouTube können dir hierbei helfen, neuen Wind in deine Choreos zu bringen. Aber denke immer dran, hinter jedem Tanz, steht ein:e Trainer:in, der/die sich ebenso viel Mühe gegeben hat. Sei also so fair, dich lediglich inspirieren zu lassen und übernimm keine Passagen aus anderen Tänzen.
Positionen, Schritte, Akrobatik – Die finale Choreographie
Du hast alles berücksichtigt? Vielfalt der Schritte und Akrobatikelemente, an die Tänzer:innen angepasste Schwierigkeitslevels, abwechslungsreiche Positionen? Der letzte Schritt ist der wohl einfachste, aber langwierigste: Du musst alles so aufschreiben, dass du auch in einigen Wochen noch weißt, welche Schrittkombinationen dir in deinem Kopf vorschwebten.
Am besten schreibst du dir neben die Positionen, die dazugehören Schrittkombinationen inklusive Arm- und Kopfvariationen. Bei komplexeren Varianten kann es oft hilfreich sein auch die Zähleinheiten über den einzelnen Schritten zu notieren. Schreibe dir jede noch so kleine Kleinigkeit auf. Es wird dir eine große Erleichterung in den folgenden Trainingseinheiten sein.
@lisakeepsdancing 👀 “Sag mal Lisa, wie schreibst du dir eigentlich Gardeschritte auf?” In den letzten Wochen habe ich ja in meiner Story geteilt, dass ich wieder fleißig am Tänze stellen bin. Recht viele haben mir daraufhin eine Nachricht geschrieben und gefragt, wie man sich denn am besten Gardeschritte notiert. 🌈Dafür gibt es keine einheitliche Vorgabe und ihr macht das am besten so, wie es für euch verständlich und sinnvoll ist. Als kleine Inspiration teile ich heute mit euch, wie ich meine Schritte notiere. 1. Ich schreibe mir die Anzahl der Schläge auf 2. Ich notiere mir, was die Beine machen 3. Ich schreibe auf, was die Arme machen 4. Ggf. ergänze ich noch Infos zur Kopfhaltung und Raumrichtung 🧠 Sicherlich kann man das noch einfacher machen, indem man neben den Raumrichtungen auch die korrekten Fuß- und Armpositionen verwendet. Ihr könnt euren Schritten aber auch Namen geben, wenn ihr sie euch merken könnt. Wie schreibt ihr eure Schritte auf? Teilt gern noch ein wenig Inspiration in den Kommentaren. #gardetanz #marschtanz #choreographie #tanzschritte ♬ Aesthetic – Tollan Kim
Der nun wirklich letzte Schritt: Lasse die Musik laufen und tanze den Tanz selbst durch. Du hast Stolpersteine gefunden? Jetzt ist die Möglichkeit gekommen Arm- oder Beinkombinationen auszubessern.
Dein Tanz steht – du hast es geschafft
Ich empfinde es oft als erleichterndes Gefühl, wenn ich weiß, dass ich einen Tanz fertig gestellt habe. Wenn du mehrere Gruppen trainierst, wirst du dieses etwas bedrängende Gefühl kennen. Du weißt, du MUSST jetzt kreativ werden. Du MUSST jedem gerecht werden. Du MUSST dir jedes Jahr etwas Neues einfallen lassen. Das ist nicht immer leicht, aber diesen Druck kannst du etwas mindern, wenn du strukturiert an die Aufgabe heran gehst. Eine gute Vorbereitung ist der Schlüsselerfolg einer aufregenden, aber spaßreichen Trainingssession:
- Verschaffe dir einen Überblick über deine Tänzer:innen
- Suche dir Musik aus und schneide sie passend
- Zähle die Musik aus und Teile sie in grobe Sequenzen
- Höre genau zu, was dir die Musik „sagt“
- Teile anspruchsvolle Elemente und Akrobatikelement sinnvoll im Tanz auf
- Stelle Positionen und Positionswechsel
- Fülle die Lücken mit Schrittkombinationen
Wie gehst du an das Choreographieren eines Tanzes heran? Hast du Tipps für andere Trainer:innen?
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