Brauchtums- oder Leistungsgarde: Wo bin ich zuhause?

Brauchtums- oder Leistungsgarde: Wo bin ich zuhause?

von Sabrina Pachl

Gardetanz ist Gardetanz – oder nicht?

Du trainierst eine Garde und ihr tanzt bisher noch nicht auf Turnieren? Du spielst allerdings mit dem Gedanken aus deiner Garde eine Leistungsgarde zu machen? Aber wie? Was musst du beachten? Dir ist die Verantwortung vielleicht zu groß? Du brauchst Hilfe bei alledem? Vielleicht weißt du auch (noch) nicht genau, wo der Unterschied in den beiden Arten liegt?

Diese und noch viele weitere Fragen stellt sich jede:r Trainer:in, wenn sie vor hat den Schritt vom Amateursport in den Leistungssport zu gehen. Mach dir aber keine Gedanken mit den folgenden Zeilen versuche ich dir eine kleine Hilfestellung zu geben. Viel Spaß dabei!

Die Entwicklung des Gardetanz

Bevor wir in die Materie des Leistungssportes eintauchen, überlegen wir erst einmal, was „GARDE“ überhaupt bedeutet und wo der Ursprung dieser Tradition liegt. Dass der Karneval ein christliches Fest ist, ist wohl den meisten von euch bekannt. Nicht ohne Grund wohnen viele Karnevalsvereine der traditionellen Karnevalsmesse bei. Mit diesem Fest läuteten die Christen die ihnen bevorstehende fleischlose Fastenzeit ein und sagten dem Fleisch (lat.: carne) adieu (lat.: vale).

Bereits vor mehr als 300 Jahren feierte man dieses Fest mit Masken und Kostümen. 1736 wird in der Stadtgeschichte Kölns erstmals der Vorläufer unseres heutigen Sitzungskarnevals erwähnt. Weder die französische Besatzungszeit noch die Herrschaft der Preußen konnte dem Karnevalsfest etwas anhaben. Zum Ende des 18. Jahrhunderts kam ein weiteres heute sehr wichtiges Element des Karnevals hinzu: Prinz Karneval ward geboren.

Zu Beginn waren die Gardetänzer männlich

So langsam kommen wir geschichtlich auch dem Entstehen unserer Garden näher: Nachdem auf Karnevalsitzungen zuerst örtliche Politiker aufs Korn genommen wurden, wurden Anfang des 19. Jahrhundert die damaligen Militärtruppen, die Gardisten samt ihrer zur Vergnügung dienenden Damen persifliert. Anfangs eher lustig dargestellt marschierten Amateure in Militärkostümen auf der Bühne, unser Marschtanz wurde geboren.

Bis zur Herrschaft der Nationalsozialisten war diese Richtung des „Tanzes“ eine Männerdomäne. Wegen den Bedenken, diese Freizeitbeschäftigung könnte die Männer in einem homosexuell erscheinenden Lichte dar stehen lassen, untersagte die NS-Herrschaft den Männern das Tanzes und setzte Frauen an deren Stellen. Mit langen Röcken gekleidet traten erstmalig weibliche Funkenmariechen auf.

Karneval Ko3 Kowelenzer, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Geburtsstunde von Gardetanz als Leistungssport

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts geriet der Gardetanz nicht mehr in Stillstand: Vereine wurden immer mehr; sie organisierten sich in Verbänden; der Gardetanz wurde moderner; Akrobatikelemente und andere Schwierigkeiten wurden eingeführt und fortlaufend weiterentwickelt und schließlich wurden die ersten Tanzturniere veranstaltet.

War der Gardetanz vor wenigen Jahrzehnten nur im Karneval von Bedeutung, so hat sich die Zeit verändert. Heute gibt es Brauchtumsgruppen, die vorrangig zur Karnevalssession auf Sitzungen tanzen und die Leistungsgarden, deren Augenmerk auf den Tanzturnieren liegt. Der Gardetanz ist autark!

Leistungsgarde und Auftrittsgarde unter der Lupe

Viele neu gegründete Leistungsgarden entspringen aus ehemaligen Auftrittsgarden. Vielleicht warst du in jüngster Zeit – Gott sei gedankt, dass Turniere endlich wieder stattfinden dürfen – auf einem Turnier und hast dir Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, wenn du nun mit deine Garde hier antreten würdest.

Oder kam vielleicht eine:r deiner Tänzer:innen auf dich zu und hat den Vorschlag gemacht auf Turnieren anzutreten? Oder gar dein Verein? Es kann viele Gründe geben, warum man gerne eine Auftrittsgarde zur Brauchtumspflege unterstützt oder in einer Leistungsgarde auf Tanzturnieren aktiv ist.

Auftrittsgarde: Das nennt ihr Sport?

Auch eine Auftrittsgarde betreibt Leistungssport.

Auch eine Auftrittsgarde betreibt Leistungssport.

Eine Auftrittsgarde wird oftmals als Spaßgarde oder „Dorfgarde“ abgetan. Natürlich soll es Spaß machen, es ist ein Hobby – aber ist es dadurch weniger Wert als eine Leistungsgarde? Nein!

Ob es der geringere Druck, der geringere Zeitaufwand oder der Mangel an Leistungsgarde in der Nähe ist, der die Tänzer dazu bewegt hier tanzen ist vollkommen gleich. Wichtig ist, dass ihr euch in eurer Form wohlfühlt. Du als Trainer:in, du als Tänzer:in, du als Betreuer:in!

Jeder der einmal in einer Garde getanzt hat, weiß wie anstrengend es ist einen Tanz aufzuführen und wie viel Arbeit und Schweiß in der Vorbereitung auf die wenigen Minuten auf der Bühne steckt. Hinter jedem Spagat, Rad oder Standspagat steckt eine intensive Vorbereitung, die ohne regelmäßiges Training nicht vertanzt werden könnte.

Wäre das Vorurteil, dass eine Auftrittsgarde nicht wisse, was Sport sei, also wahr, wäre euer Auftritt sicherlich von Verletzungen gekrönt. Ihr könnt stolz sein, dass ihr euch so sehr dafür einsetzt eine lange Tradition zu pflegen und solch großartige Tänze auf die Bühne bringt.

Leistungsgarde: Das Turnen nennt ihr Tanzen?

Nicht nur die Auftrittsgarde hat mit Vorurteilen zu kämpfen, auch den Leistungsgarden geht es oftmals nicht anders. Obwohl es nun bereits seit mehreren Jahrzehnten Turniere im Bereich des Garde- und Schautanzes gibt, ist dieser Sport in vielen Köpfen noch nicht als Leistungssport angekommen.

Die vielen Stunden harter körperlicher Arbeit, das Vor- und Nachbereiten eines Turnieres oder auch die Verletzungsgefahr, der ihr euch aussetzt, das alles kann man nur nachvollziehen, wenn man einen dementsprechend tiefen Einblick in diese, zu Recht Leistungssport genannte, Sportart hat.

Wie werde ich zur Leistungsgarde?

Aller Anfang ist schwer. Wichtig ist, dass du nicht aufgibst, sollten die ersten Turniere nicht von Erfolg gekrönt sein. Bedenke immer, dass es in deinem Verband sicherlich Vereine gibt, die diesen Leistungssport schon seit vielen Jahren intensiv fördern. Du kannst weder von dir noch von deinen Tänzer:innen erwarten, dass ihr diese Erfahrung innerhalb von einer Turniersession aufholt.

Habe als Geduld mit dir und deinen Tänzer:innen! Aber bevor dieser ganze Turnierzirkus losgeht, musst du ein paar organische Dinge beachten und ausarbeiten.

Den Verein im Rücken

Erstmal solltest du den Kontakt zu deinem Verein suchen. Turnierteilnahmen sind immer auch mit einem finanziellen Aspekt verbunden. Hier brauchst du einen Partner, der hinter dir steht und dir dieses Laster abnimmt. Im besten Fall kümmert sich dein Verein um, den Vorgaben entsprechende Kostüme, die Teilnahmegebühren, den Transport zu den Turnieren oder auch eventuell anfallende Kosten für Trainingsorte.

Somit sind wir schon beim zweiten wichtigen Punkt: Trainingsort und -zeit. Vielerorts gibt es ein Problem mangelnder Trainingsmöglichkeiten. Entweder man bekommt keinen Trainingsplatz oder der Platz, der frei ist, ist zu klein.

Bedenke, dass du nun für Turniere mit genormten Bühnengrößen trainierst und das Austanzen der Bühne auch bewertet wird. Bestenfalls findest du also entweder eine Bühne auf der du trainieren kannst oder eine Halle, die groß genug ist, dass du eine Bühne abstecken kannst.

Im Team macht es mehr Spaß

Garde in Trainingsanzügen

Die Grün-Weiße-Garde vor ihrer ersten Turnierteilnahme

Gehen wir nun davon aus, dass du die ersten beiden erfolgreich abhaken kannst. Super! Dann kann es weitergehen. Du hast deine Auftrittsgarde bisher allein trainiert? Respekt! Das war sicherlich viel Arbeit. Bei der Vorbereitung auf Turniere ist es aber ratsam, dass du die Hilfe holst. Stelle ein Trainier- und ein Betreuerteam zusammen. Zusammen machen die Planung und Organisation noch mehr Spaß und die Last, die du nicht unterschätzen solltest, liegt nicht alleine auf deinen Schultern.

Wenn du bisher noch keinerlei Kontakt zum Turniertanz hattest, geht es nun daran, sich in die Regeln des Verbandes einzuarbeiten. In welcher Kategorie startet ihr? Welche Voraussetzungen müssen in der Choreografie erfüllt werden? Welche bei der Zusammensetzung deiner Tanzgruppe?

Mehr Leistung auch im Training

Als nächstes solltest du dir nun Gedanken um das anstehende Training machen. Es gibt mittlerweile viele Materialien, die dir dabei helfen, dein Training effektiv zu planen. Im Turniertanz ist es wichtig, dass ihr vorher jedes noch so winzige Element akribisch geübt und ausgetanzt habt. Nicht darf dem Zufall überlassen werden, so sollte es auch mit deinem Training sein.

Plane bereits vor Beginn der Trainingsphase, wann du welche Schwerpunkte setzt, wann du Akrobatikelemente übst und wann den Tanz weiterstellst. Vergiss dabei nicht, deine Tänzer:innen vor den Turnieren nicht zu überfordern.

Mentale Stärke zahlt sich aus

Der letzte aber auf keinen Fall unwichtigste Punkt, ist die Psyche. Hast du vielleicht auch schon darüber nachgedacht, ob du über ausreichend Know-how verfügst? Oder machst du dir Gedanken, dass ihr auf den Turnieren zu wenige Punkte sammelt? Du hast Angst, als Trainer:in zu versagen?

Wichtig ist, dass ihr als Team zusammenhaltet. Bereitet euch gemeinsam auf die neue und aufregende Zeit vor. Es wird anstrengend, aber auch spannend. Genießt die Turniere. Die Atmosphäre. Die Anspannung und die gleichermaßen die Erleichterung. Weint zusammen aber vergesst nicht das gemeinsame Lachen. Beide Seiten werden dazugehören. Gebt nicht auf und versucht aus jedem einzelnen Turnier zu lernen. Du wirst merken, schnell bist du dabei, in dem Turnierzirkus.

Nun kennst du die wichtigsten Fakten: Sehen wir uns bald auf einem Turnier?

Jetzt kennst du den Unterschied zwischen den Garden. Die einen pflegen das Brauchtum, die anderen tanzen auf Turnieren. Du weißt, was alles auf dich zukommt und worauf du achten musst, wenn du den Schritt in den Leistungssport gehen möchtest.

Denke immer daran, dass du mit einem Verein im Hintergrund, einem Trainer- und Betreuerteam neben dir und einer ambitionierten Tanzgarde vor dir keine Angst vor anstehenden Veränderungen haben musst. Kläre die wichtigsten Punkte wie z.B. Trainingsort, Finanzierung und Verbandsregeln und die spannende Zeit kann starten.

Sehen wir uns also bald auf einem Turnier?

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