Männerballett
Die unterschätze Disziplin im karnevalistischen Tanzsport
Männerballett: Nur Männer in Strumpfhosen?
Hört man den Begriff Männerballett so haben viele direkt dickbäuchige Männer in Strumpfhosen im Kopf, welche niveaulos über die Bühne hüpfen und das Publikum zum Lachen bringen.
Diese Assoziationen kommen von den Karnevalsbühnen aus ganz Deutschland. Häufig haben sich in jungen Jahren des Vereins Männergruppen aus Feuerwehr, Fußball oder anderen dörflichen Vereinen zusammengeschlossen, um auf der Bühne etwas zu zeigen.
Dabei spielte der technische bzw. sportliche Aspekt des Auftritts nicht im Fokus. Vielmehr geht es darum, dass Publikum zu unterhalten und Freude zu verbreiten. Doch wie, wenn die tänzerischen Qualitäten nicht vorhanden sind?
Eine einfache Lösung: Männer in Frauenkleidern, welche die weiblichen Garden persiflieren. Doch damit hat das heutige Männerballett schon lange nichts mehr zu tun.
Männerballett als ernst zu nehmende Sportart
Das Männerballett von heute ist mittlerweile eine – zumindest im karnevalistischen Bereich – anerkannte Sportart. Und viele Tänzer nehmen diese auch als solche ernst. Die Top-Gruppen trainieren fast das gesamte Jahr über mindestens einmal pro Woche. Geht es auf die heiße Phase zu, so werden auch schon einmal Sondertrainings am Wochenende anberaumt.
Einzig der Name „Männerballett“ stört den gesteigerten Ruf dieser vielfältigen Disziplin – „Männerschautanz“ würde es nach dem Empfinden von Arno Schatz, Vorsitzender des Bundesverband Deutscher Männerballette besser treffen.
Was Männerballett wirklich ist
Um heutzutage als Männerballett auf der Bühne bestehen zu können, braucht es mehr als drei Trainingseinheiten, einen kurzen Rock und einen Liter Bier. Der Sport ist vielfältig und anspruchsvoll.
Neben einer ausgefeilten Choreografie mit anspruchsvollen Schritten zeichnet sich das heutige Männerballett insbesondere durch Hebefiguren aus. Dabei kommt es in hohem Maße auf eine gute Technik und Sicherheit an – denn kein Zuschauer möchte wackelige Figuren auf der Bühne sehen.
Ob Pyramiden oder Würfe: Diese Details geben dem Tanz das gewisse etwas, müssen aber auch in stundenlangem Training ordentlich einstudiert werden.
Eine Show die beeindruckt
Neben den reinen tänzerischen und choreografischen Aspekten ist die Gesamtkomposition der oftmals 10-minütigen Show von großer Bedeutung. Dazu zählen auch hochwertige Kostüme und Requisiten, welche die Geschichte unterstreichen.
Vorbei sind die Zeiten, in welchen Tutu und Strumpfhose reichten. Heute arbeiten teilweise ganze Teams an der Fertigstellung der Kostüme und Requisiten.
Besonders bei Turnieren zeigt ich die Qualität, welche heutige Männerballette an den Tag legen. Ob Zuschauer oder Teilnehmer: Wer einmal bei solch einem Turnier anwesend war, sieht Männerballett aus einem ganz anderen Blickwinkel.
Wie Turniere den eigenen Anspruch beeinflussen
Geht ein „Dorf-Männerballett“ – und das ist keinesfalls despektierlich gemeint – erstmals zu einem offiziellen Männerballettturnier so merkt man schon im Jahr danach, eine Änderung im Tanzstil. Klar, sieht man hier direkt, wie professionell Männertanz auf der Bühne aussehen kann.
Daher ist es heutzutage ein großer Mehrwert, dass in vielen Regionen Deutschlands Männerballettturniere ausgerichtet werden.
Was auch auffällt: Neben der Show auf der Bühne steht vor allem auch die Freundschaft der Gruppen untereinander im Fokus. Vielmehr noch als bei anderen Disziplinen zeigt sich im Männerballett die gemeinsame Freude am Karneval und dem Auftritt auf der Bühne. Unterstützung und Zusammenhalt statt Konkurrenzdenken. Das zeichnet die Sportart auf höchster Ebene aus.
Die Faszination Männerballett
Nicht unwesentlich an der Veränderung und dem steigenden Erfolg dieser karnevalistischen Sparte beteiligt ist Arno Schatz, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Männerballette, kurz BVDM.
Der BVDM wurde im Jahr 2000 gegründet und hat seitdem den Sport nach vorn getrieben. Alles wurde organisierter und professioneller. Doch trotz all des Erwachsen-Werdens hat der Verband nie den Spaß an Tanz und Karneval aus den Augen verloren.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Vorsitzenden allesamt Männerballett leben und lieben. „Männerballett ist für mich Tanz mit Freude und Perfektion. Die Liebe zum Tanz und der Respekt vor anderen Männerballett macht für mich die Faszination dieses Sportes aus“, so Arno über sein Engagement.
„Zu sehen, wie die Männerballette mit ihrer Show jeden Saal zum Kochen bringen – das ist einfach nur schön“, so Arno weiter.
Interview mit dem Männerballett Falken Dreamboys
Schön, dass ihr euch für ein Interview bereit erklärt habt. Stellt euch doch einmal kurz vor: Wer seid ihr?
Ahoi! Wir sind die Falken Dreamboys der 1. Falkenfelder Karnevalsgesellschaft aus Lübeck. Wir sind 2007 mit 3 Männern mit einer 4-Schritt-Kombi zu „Daddy Cool“ gestartet. Da waren wir ein Überraschungspunkt auf unserer Prunksitzung.
Wir haben danach unsere aktuelle Trainerin gefunden, die dann meinte: „Da geht noch mehr!“ 2008 waren wir dann schon 6 Männer. Aktuell sind wir 11 stramme Jungs im Alter von 26-65 Jahren, die eine Menge Spaß zusammen haben.
Was ist für euch das Besondere an der Disziplin Männerballett?
Man kann schon sagen, dass man als Männerballett immer einen kleinen Vorteil hat. Bei Auftritten und Sitzungen ist man immer ein Highlight, egal wie die Gruppe getanzt hat.
Ihr habt schon einmal an Männerballett-Turnieren teilgenommen. Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?
Da es bei uns in Schleswig Holstein sehr wenig Männerballette gibt, gibt es hier auch keine Turniere. Wir haben dafür schon öfter beim Grand Prix der Männerballette in Schönberg (MV) teilgenommen und sind 2019 bei der Landesmeisterschaft der Männerballette in Demin (MV) angetreten.
Diese Erfahrung machen zu dürfen war für jeden ein ganz besonderes Erlebnis. Auch die Gruppen untereinander sind alle super offen. Man wünscht sich gegenseitig viel Glück und gratuliert sich zur jeweiligen Platzierung. Dadurch haben sich auch schon neue Freundschaften geschlossen, die man sonst nicht kennengelernt hätte!
Wie häufig trainiert ihr und läuft ein normales Training bei euch ab?
Wir trainieren (außerhalb von Corona) einmal in der Woche für 1,5 Stunden. Gestartet wird mit etwas Warm-Up. Das machen wir meist mit einer knackigen Runde Fußball. Dann starten wir ins Training.
Geübt werden dann neue Schritte oder es werden neue Hebungen ausprobiert. Wenn der Tanz im Groben fertig ist machen wir immer einen intensiven Trainingstag und pfeilen danach an den Feinheiten.
Das Männerballett wird immer professioneller, der Anspruch höher. Wie seht ihr die Entwicklungen in den letzten Jahren?
Grundsätzlich steht bei uns steht der Spaß an erster Stelle. Denn wer Spaß am Tanzen hat zeigt dies auch auf der Bühne! Unser Ziel ist es jedes Jahr eine kleine Schippe draufzulegen.
Das sieht man auch an den anderen Männerballetten, die sich jedes Jahr mega ins Zeug legen und teilweise ganze Bühnenbilder in ihrem Tanz haben. Es ist einfach der Wahnsinn was sich aus dem typischen Männerballett im „Tütü“ entwickelt hat.
Mit Blick auf die nächste Saison: Was habt ihr vor? Was wünscht ihr euch?
Wir wünschen uns natürlich, dass die nächste Saison wieder stattfinden kann. Das wäre unser größter Wunsch. Aktuell sind wir gerade in den Startlöchern, den neuen Tanz zu lernen. Da fehlen aber noch ein paar „i-Tüpfelchen“ sagt die Trainerin. Aber egal was passiert: wir haben Bock wieder auf die Bühne zu gehen!
Vielen Dank für das Interview.
Raus aus der Nische
Männerballett hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen – dem BVDM ist es aber auch ein Anliegen, den Sport außerhalb der Karnevalsnische bekannter zu machen.
Einen großen Schritt in Richtung Anerkennung ist im Jahr 2021 das Männerballett Finsterwalde gegangen. Als dreifacher Deutscher Meister haben sie die Corona-Pandemie genutzt, um einen Ausflug in die deutsche TV-Landschaft zu wagen.
So standen sie Ende des Jahres beim Supertalent auf der Bühne. Mit ihrer Show „Peter Pan“ holten sie die Zuschauer im Fernsehstudio von den Stühlen – und sicherten sich den Einzug ins Halbfinale. „Es hat mich im Herz berührt“, so Michael Michalsky zum Auftritt der Männer.
Spätestens nach dieser Show, welche geprägt war von einer spektakulären Choreografie, fantastischen Bildwechseln, aufwendigen Kostümen und atemberaubenden Hebefiguren dürfte jedem klar sein, dass das Niveau aktueller Männerballette sich auch auf der großen Bühne sehen lassen kann.
2022 endlich wieder auf der Bühne stehen?
Die Corona-Pandemie war sicher ein Dämpfer für viele Gruppen. Jetzt wieder die Motivation zu finden und ich für eine neue Session aufzuraffen, wird ein Kraftakt. Doch um die Entwicklungen der letzten Jahre nicht verpuffen zu lassen, lohnt sich dieser.
Der BVDM hat auch während der Pandemie alles Mögliche versucht, um die aktiven Gruppen bei der Stange zu halten. So gab es zwei Online-Videocups, bei welchen sich alle Männerballette aus ganz Deutschland bewerben konnten.
Für das Jahr 2022 war wieder eine Deutsche Meisterschaft geplant. Aufgrund zu geringer Anmeldungen, wurde diese jedoch wieder abgesagt. Stattdessen wird es auch in 2022 einen Online-Videocup geben.
Die Hoffnung liegt also auf 2023. Bei der Deutschen Meisterschaft gibt es zwei Altersklassen, in welchen die Männerballette antreten können: U35 und Ü35. Entscheidend ist das Durchschnittsalter der Gruppe. Bei der letzten Deutschen Meisterschaft 2019 hatten sich 17 Gruppen über die Landesmeisterschaften qualifiziert. Wie viele Gruppen im kommenden Jahr an den Start gehen, ist noch offen. Es wird sich zeigen, wie viele die Corona-Pandemie überstanden haben und weiterhin motiviert sind, den Sport auszuüben.
Männerballett im Wandel
Klar ist: Es geht immer weiter. Wie jede Sportart wird sich auch das Männerballett weiter verändern und neue Wege gehen. Hauptsache der Spaß und die Freude am Sport bleibt – dann werden uns die Männerballette in Deutschland auch weiterhin mit ihren Show erfreuen.
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