Vorurteile über den Gardetanz

Vorurteile über den Gardetanz

Schluss mit Vorurteilen über den Gardetanz!

Wir kennen Sie alle: Die Vorurteile, welche über unseren Sport in Umlauf sind. Heute möchte ich ein für alle Mal mit diesen aufräumen. Ich habe mir daher einmal die acht gängigsten Vorurteile geschnappt, die Hintergründe dieser untersucht und sie mit Fakten ausgehebelt.

Gardetanz ist kein Sport

Synonym für: Gardetanz ist doch nur Rumgehüpfe. Der Klassiker unter den Vorurteilen und immer noch weit verbreitet. Ein Vorurteil, welches ausschließlich von Personen, welche nichts mit dem Tanzsport am Hut haben, genannt wird. Beispielsweise der 08/15 Karnevalsbesucher, der sich einmal im Jahr an Fasching die Kante mit Alkohol gibt.

Doch bevor ich mich hier selbst in Vorurteilen verlieren, will ich erst einmal die Hintergründe des Gedankens „Gardetanz ist kein Sport“ beleuchten.

Ihr tanzt ja nur dreimal an Karneval

Tanzgarde im TrainingDer gemeine Zuschauer kennt den Gardetanz vor allem von den Karnevalsbühnen dieser Welt. Was er dort sieht, wirklich nicht besonders schwer. Leichtfüßig tanzen Mädels und Junge über die Bühne, schlagen Räder, schwingen die Beine und springen in den Spagat.

Klar: Wir wissen, hinter dieser Leichtfüßigkeit steckt ein Jahr harte Arbeit. Doch das weiß der Zuschauer nicht. Er sieht nur, wie einfach uns das Tanzen vermeintlich fällt. Und das ist die Krux an der Sache.

Denn für den Zuschauer soll es ja eben „einfach“ wirken. Würde es schwer aussehen, hätten wir unser Ziel verfehlt.

Ganzjahrestraining ist Pflicht

Fakt ist: Für einen optisch ansprechenden Gardetanz wird das gesamte Jahr über mehrere Stunden pro Woche trainiert. Neben den komplexen Schritten und der Choreografie mit allen Positionen muss an Grundkraft, Sprungkraft und Beweglichkeit trainiert werden.

Kraft, Flexibilität, Taktgefühl – Das alles steckt im Gardetanz und erfordert bis zur Perfektion jahrelanges Training.

Schaut man sich nun die Solisten an wird meist auch dem Laien schnell klar: So ein Bogengang oder Flick Flack lernt sich nicht von heute auf morgen.

Fazit: Dieses Vorurteil lässt sich einfach widerlegen.

Ihr seid doch alle nur am Saufen

Der traditionelle Gardetanz ist fest mit dem Karneval verbunden. Und der Karneval an sich ist für viele Menschen lediglich ein großes Besäufnis – in Kostümen. Eine Zeit, um einmal alle Regeln zu brechen und dem Frohsinn – gepaart mit dem ein oder anderen Rausch – zu frönen.

Ja, ich will nicht lügen: Als Karnevalist ist Trinkfestigkeit von Vorteil. Und dennoch ist es keinesfalls richtig, dass alle Garden ständig nur am Saufen sind.

Sport und Alkohol verträgt sich nicht

Tanzgarde an Karneval, Sekt und BierDen Großteil der Trainingszeit wird selbstverständlich kein Alkohol getrunken. Wie bereits oben beschrieben erfordert der Gardetanz ein hohes Maß an Exaktheit, technisch korrekter Ausführung und Komplexität. Mit Alkohol im Blut ein Ding der Unmöglichkeit – was man beispielsweise am Rosenmontag sieht, wenn die ein oder andere Tänzerin doch mal mit einem Schlückchen zu viel auf der Bühne steht.

Daher gilt bei den meisten Karnevalsgarden die Devise: Vor dem Auftritt kein Alkohol. Bei den Turniergruppen stellt sich die Frage erst recht nicht. Hier ist Alkohol tabu, bis alle Auftritte getanzt wurden.

Auch am Vorabend des Auftritts sollte man die Finger davonlassen. Alkohol wirkt sich nämlich negativ auf unsere Leistungsfähigkeit aus. Und man trainiert schließlich nicht ein Jahr lang intensiv, um dann nicht seine Bestleistung zeigen zu können.

Fazit: Natürlich wird mal das ein oder andere Glas – an Karneval selbst auch mehr getrunken. Aber das Vorurteil, dass man nur in der Garde ist, um zu saufen, sollte hiermit widerlegt sein.

Männliche Gardetänzer sind schwul

Leider ein Vorurteil, welchem sich alle Männer in ästhetischen Sportarten aussetzen müssen. Es stimmt natürlich NICHT.

Doch, woher kommt es? Zum einen liegt es an der Eleganz des Sportes an sich. Gardetänzer sind leichtfüßig, sie fliegen über die Bühne, werfen die Beine, landen im Spagat. Das passt für viele veraltete Denkweisen nicht zu einem Mann.

Hinzu kommt die Optik: Für die richtige Bühnenwirkung ist auch der männliche Tänzer leicht geschminkt und trägt je nach Uniform eine Strumpfhose und zumindest enge Kleidung. Dies wirkt für den Außenstehenden im ersten Moment vielleicht befremdlich.

Männliche Tänzer sind vor allem eins: Stark

Tanzpaar Ben Adams und Cathleen Gentz.Doch was viele nicht sehen: Männliche Tänzer benötigen vor allem Kraft. Schließlich heben sie ihre Partnerin mal ebenso mit einem Arm in die Höhe. Sie sind der Fels in der Brandung, auf welche sich die Tänzerin zu 100% verlassen muss.

Stärke benötigt Mann auch für die Sprünge und akrobatischen Figuren. Von wegen Schwächling – die Männer im Tanzsport müssen so einiges auf dem Kasten haben.

Und reden wir doch einfach mal Klartext: Die sexuelle Orientierung eines Menschen hat weder etwas mit der ausgeübten Sportart zu tun, noch sollte sie im Jahr 2021 überhaupt eine Rolle spielen.

Fazit: Dieses Vorurteil ist hiermit klar und deutlich entkräftigt.

Ihr macht doch eh immer nur das Gleiche

Hier wieder ein Vorurteil aus der Kategorie „ungeübter Blick“. Ich kann es verstehen – sieht man einmal im Jahr auf einer Faschingsveranstaltung einen Gardetanz, so wirkt dieser natürlich immer ähnlich.

Klar – genauso wie für mich eine Bodenturnchoreografie immer ähnlich aussieht. Es sind schließlich immer dieselben Grundelemente, welche lediglich in einer anderen Art und Weise miteinander verbunden werden.

Auch die Marschmusik hat immer einen bestimmten Charakter. Zwar gibt es hier mittlerweile auch zig unterschiedliche Musiken – doch ist dies für das ungeübte Ohr nicht zu unterscheiden.

Fazit: In der Regel wird jährlich oder alle zwei Jahre ein neuer Gardetanz gezeigt. Daran, dass der Gardetanz-Fremde Zuschauer die Unterschiede nicht erkennen kann, können wir nichts machen.

Ihr müsst doch nur hübsch aussehen

Wer bis hierhin aufmerksam gelesen hat, müsste jetzt vehement mit dem Kopf schütteln. Denn mit „nur“ hübsch aussehen lässt sich kein Gardetanz tanzen.

Der Hintergrund ist klar: Kurze Röcke, rote Lippen und immer ein Lächeln im Gesicht. Gardetänzerinnen sehen hübsch aus – keine Frage. Doch handelt es sich beim Gardetanz um eine Sportart, welche von ihrer Ästhetik und Eleganz lebt. Und wie bei jedem Tanzstil spielt hier natürlich auch das Optische eine Rolle – keine Frage.

Repräsentative Aufgaben in der Vergangenheit

In den 50er Jahren hatte das Tanzmariechen vor allem repräsentative Aufgaben. Es hat die meist männliche Garde bei offiziellen Veranstaltungen begleitet und mit ihrem Lächeln die Zuschauer um den Finger gewickelt.

Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Mittlerweile vollbringen die Mariechen und Gardetänzerinnen sportliche Höchstleistungen auf der Bühne. Und die Schwierigkeit dahinter wird geschickt mit einem Lächeln verborgen. Der Tanz auf den Zuschauer vor allem leicht wirken. Ein Lächeln signalisiert hier: Ich schaffe das ohne Probleme. Dass allein – und nicht das hübsche Aussehen – ist der Grund

Fazit: Nur wer ein hübsches Gesicht hat, kann noch lange keinen Gardetanz auf die Bühne legen.

Dicke Gardemädchen können nicht tanzen

Bei diesem Vorurteil habe ich mich einmal kurz verschluckt. Schließlich hat die sportliche Leistung nichts mit der Körperform zu tun.

Und doch ist es leider nicht nur im Gardetanzsport so, dass fülligere Menschen direkt mit unsportlich gleichgesetzt werden.

Sportlich hat nichts mit der Körperform zu tun

Natürlich, wer tagtäglich trainiert wird irgendwann abnehmen und schlanker und sportlicher aussehen. Und dennoch können natürlich auch füllige Mädels und Jungs tanzen.

Was bringt mir eins dürren Mädels, welches keine Körperspannung halten kann? Genauso wenig wie eine füllige Frau, die nach 30 Sekunden Tanz bereits platt ist. Am Ende kommt es auf die Faktoren Kraft, Beweglichkeit, Kondition und Rhythmik an – das kann mit dem richtigen Training jeder erreichen.

Zusätzlich geht es beim Gardetanz noch um die Ausstrahlung. Da spielt das Selbstbewusstsein eine entscheidende Rolle. Fühle ich mich wohl in meiner Haut und bin ich sicher in den Schritten, dann strahle ich das auch für den Zuschauer aus. Doch auch das hat nichts mit Körpergewicht zu tun.

Fazit: Mit dem richtigen Training und den passenden Voraussetzungen kann jeder tanzen – egal welches Gewicht er oder sie auf die Waage bringt.

Mit den kurzen Röcken wollt ihr doch nur die Kerle anmachen

Gardetanz UniformEin klares: NEIN! Gardetanz wird bereits von Kindern ausgeübt – wer solch einen Spruch bringt, gehört in meinen Augen weggesperrt.

Leider wird ein ästhetischer Sport – sei es Reiten, Turnen oder eben auch Tanzen – immer wieder in einen sexuellen Kontext gesetzt. Die sportlichen Leistungen, die dabei erbracht werden, rücken in dieser Sichtweise völlig in den Hintergrund. Insbesondere an Karnevalsveranstaltungen mit Alkohol im Blut werden der kurze Rock und die Präsentation auf der Bühne häufig mit einem Flirt oder gar einer direkten Einladung zum sexuellen Kontakt verwechselt.

Figurbetonte Kleidung für mehr Bewegungsfreiheit

Doch biete die knappe und figurbetonte Uniform vor allem die Möglichkeit, die tänzerisch anspruchsvollen Schritte und akrobatischen Element auch frei ausführen zu können. Schon mal versucht mit einem Rock, der über die Knie geht, die Beine zu werfen? Oder ein Rad zu schlagen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Gardeuniform gehört zum Gesamtbild des Tanzes dazu. Der kurze Rock ist in dem Fall weder eine Einladung noch ein Anmachversuch, sondern lediglich Teil des Kostüms.

Fazit: Einfach NEIN.

Gardetanz kann jeder

Tanzmariechen zeigt einen SpagatsprungSynonym für: Das bisschen Beinewerfen kann doch jeder.

Zum Abschluss nochmal ein absoluter Klassiker. Vor allem beliebt zu späterer Stunde mit reichlich Alkohol im Blut. Da stehen die Vorlauten auf der Tanzfläche und werfen ihre Beine in die Höhe – wobei das Wort „Höhe“ übertrieben ist.

Auch hinter diesem Vorurteil steckt wieder die Leichtigkeit, welche unseren Sport optisch ausmacht. Denn die vielen Stunden des Trainings, welche darin stecken, die sieht niemand.

Gardetanz kann jeder lernen

Allerdings vertrete ich die Meinung: Mit dem richtigen Training, Ehrgeiz und Fleiß kann theoretisch jeder Gardetanz erlernen. Es ist ein Sport, der bereits von Kindern ausgeübt werden kann. Doch wie jeder Sport erfordert auch diese viele Trainingsstunden.

Schließlich muss Grundkraft, Sprungkraft und Beweglichkeit muss ausgebildet werden, Bewegungsabläufe müssen verinnerlicht und Schritte perfektioniert werden. Und auch die Synchronität in der Gruppe kann nur durch zigfaches Wiederholen erreicht werden.

Fazit: Stimmt – aber nur wer bereit ist, seine Zeit dafür zu opfern.

8 Kommentare
  1. Marcel
    Marcel sagte:

    Hallo,
    das ist ein wirklich sehr guter Artikel den ich so voll und ganz unterschreiben würde. Ich habe größten Respekt vor den Leistungen die erbracht werden für den Gardetanz.
    Leider sind eben Denkweisen wie “Männer sind schwul, die Tanzen.” so tief verankert das es gerade im ländlichen Raum einen Mann definitiv auf ewig ins aus schießen würde. Für mich (Bj 84) persönlich hat das bedeutet das ich nicht mit dem Tanzen angefangen habe. Da ich familiär wie im Freundeskreis kein Verständnis dafür bekommen hätte und definitiv als schwul und nicht normal abgestempelt worden wäre. Ich kann nur stark hoffen das sich das für zukünftige Generationen ändert.
    Also vielen Dank für den Artikel, ich hoffe er wird oft geteilt. Ich werde es tun.
    Viele Grüße
    Marcel

    Antworten
    • Lisa Roczniewski
      Lisa sagte:

      Hallo Marcel,
      danke für dein Feedback und die Erfahrungen, die du gemacht hast. Ich gebe dir Recht: Die Denkmuster sind sehr eingefahren. Wenn ich nur einen kleinen Teil Menschen mit diesem Beitrag zum Umdenken bewegen kann, hat es sich schon gelohnt. Danke fürs Teilen!

      Viele Grüße, Lisa

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  2. Christine
    Christine sagte:

    Absolut super Beitrag.
    Ich tanze seit 36 Jahren im Karnevalsverein davon 31 Jahre in meinem hcc.Ich mußte jahrelang Spot und Hähme über mich ergehen lassen deswegen! Auch ich habe früher Turniere getanzt ,aber auch das wurde so abgetan wie bissel “rumgehopse ” nach Musik.
    Auch mit sage und schreibe 145 Kg.habe ich Showtänze auf die Bühne gebracht mit meinen Mädels,natürlich immer ästhetisch und Kostümpassend.Jetzt mit 30 Kg.weniger tanze ich wieder schwierigere Tänze mit und habe immer sehr gute Resonanz bekommen.Ich verlasse den Karneval erst mit nem Zettel am großen Zeh.
    Lg.christine

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    • Lisa Roczniewski
      Lisa sagte:

      Hallo Christine,

      danke, dass du deine Erfahrung mit mir teilst. Es ist manchmal wirklich erschreckend, wie Leute die keine Ahnung haben über eine Sportart reden. Schön, dass du weiterhin mit Herz und Seele dabei bist. Ich bin auch 31 und mich lässt die Bühne ebenfalls nicht los. Freue mich auf viele weitere Tanzjahre :)

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  3. Jessica
    Jessica sagte:

    Hallo das ist ein sehr schöner Artikel, und leider habe ich sowas auch zu spüren bekommen, ich habe über 20 Jahre in der Garde getanzt und ich habe auch etwas mehr auf den Hüften und wurde dumm angemacht oder blöde angeguckt, was ich sehr traurig fand aber ich habe trotz allem weiter gemacht weil mir der Karnevalssport sehr am Herzen liegt. Ich hoffe die Jungs und mädchen lassen sich von sowas nicht unter kriegen.
    Mit freundlichen Gruß Jessica Uhlhorn

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    • Lisa Roczniewski
      Lisa sagte:

      Hi Jessica, danke für deinen Kommentar. Ich finde es echt schlimm, was manche darüber sagen ohne eine Ahnung zu habe. Es tut mir leid, dass du so Erfahrungen machen musstest. Aber schön, dass du dich dadurch nicht aufhalten lässt.

      Fühl dich gedrückt, viele Grüße Lisa

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  4. Leyla Brensing
    Leyla Brensing sagte:

    Ich bin noch relativ jung Tanze seit meiner frühesten Kindheit habe etwas mehr auf den Rippen und wurde daher von allen Verarscht in der Schule nach dem Motto, wenn du das kannst können das alle.
    Alle Mädels und Jungs die Tanzen egal wer sie sind und wie sie aussehen gebt nicht auf ihr schafft das, wenn das eure Leidenschaft ist kämpft es lohnt sich.

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  5. Anna
    Anna sagte:

    Hi ich tanze seit ich 2 bin Garde und ich finde es schön wenn die Gerüchte aufhören denn meine Klasse konfrontiert mich auch damit sehr cooler Artikel

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