Anerkennung des Traineramts
Wie Vereine in Zukunft Trainer:innen gewinnen und halten können
Freiwillig zum Traineramt
Als ich zur Trainerin wurde war ich gerade 16 Jahre alt. Nachdem ich meine gesamte Kindheit bereits als Tänzerin im Verein aktiv war, wollte ich nun mehr. Eine eigene Gruppe.
Zu der Zeit war es so, dass nur unsere Ü15 Garde das „Privileg“ hatte, einen Showtanz auf die Bühne zu bringen. Ich erkannte den Bedarf, auch schon im jüngeren Alter showaffinen Tänzer:innen eine Plattform zu bieten. Und gründete eine reine Showtanzgruppe für Teenager.
Zeitweise wuchsen wir bis auf acht Leute an, sogar zwei Jungs haben uns ein Jahr lang unterstützen. Gemischte Gruppen in meinem Verein? Gab es bis dato nicht.
Ich wurde älter, die Gruppe ging in den Garden auf und ich übernahm mit Anfang 20 die Juniorengarde. Bis heute bin ich Trainerin dieser und investierte gut und gerne 6 Stunden pro Woche (inkl. Vor- und Nacharbeiten) in das Training dieser einen Gruppe.
Die Trainer:innen: Das große Sorgenkind der Vereine
Wohlgemerkt: Freiwillig. Es ist freie Zeit, dich ich dafür nutze. Aus eigenem Antrieb. Einfach, weil es mir Spaß macht. Weil ich als Kind schon im Verein aufgewachsen bin und der Tanzsport meine Leidenschaft ist. So funktioniert Ehrenamt – bis jetzt.
Das Problem: Unsere Zeit ist so schnelllebig geworden. An jeder Ecke gibt es ständig neue Möglichkeiten, sich zu beschäftigen und seine Zeit zu verbringen. Einfachere, leichtere Möglichkeiten als eine Gruppe zu trainieren.
Warum sollte eine heute 20-Jährge sechs, sieben, acht Stunden ihrer Zeit „opfern“ – für ein bisschen Applaus? Für freche Kinder, Eltern die einem erklären, was man alles falsch mache und einem Vorstand, der die viele aufwändige Arbeit hinter dem Traineramt nicht würdigt?
Ehrenamt funktioniert nicht mehr wie früher
DAS ist das große Problem der Vereine. Durch den fehlenden Nachwuchs im Ehrenamt geht den Karnevalsvereinen die Luft aus.
Ich habe mich (und euch) gefragt: Was kann man tun, um den Trainerjob wieder attraktiv zu machen? Wie können wir es schaffen, langjährige Tänzer:innen oder Vereinsmitglieder ohne Amt für diese – eigentlich sehr erfüllende und bereichernde Aufgabe – zu gewinnen?
Die folgenden Ideen sind Ansätze, um eine Lösung zu finden. Denn ich bin der Meinung: Ehrenamt wie es früher war, funktioniert heutzutage nicht mehr. Lasst uns also gemeinsam umdenken und neue Wege einschlagen, um unser Hobby – den Gardetanz – weiterleben zu lassen.
Gardetrainer:in – ein Minijob
In meinem Blogartikel 20.000 Minuten für den karnevalistischen Tanzport habe ich vor einigen Jahren schon einmal heruntergebrochen, wie viel Zeit ich in mein Hobby investiere. Um sich der Lösung des Trainerproblems zu nähren, müssen wir uns in erster Linie mit den Aufgaben der Trainerinnen und Trainer befassen. Denn zu diesen zählt weit mehr, als nur in der Halle stehen und Tanzschritte lehren.
Hier eine (hoffentlich nahezu vollständige) Liste aller Aufgaben, die mir als Trainerin einer Juniorengarde (Karnevalsverein – keine Turnierteilnahme) zufallen:
Aufgabe | Dauer pro Jahr |
Musiksuche | 2-3 Stunden |
Musikschnitt | 6-8 Stunden |
Schritte ausdenken | 6-8 Stunden |
Positionen stellen | 5 Stunden |
Trainingsvorbereitung | April – Februar, 2x pro Woche ca. 20 Minuten = 24 Stunden |
Das Training leiten | April – Februar, 2x pro Woche für 90 Minuten (ca. 80 Trainingseinheiten) = 180 Stunden |
Fortbildung | 20 Stunden |
Teambuilding planen und durchführen | 10 Stunden |
Trainingstage planen | 4 x 1 Stunde = 4 Stunden |
Trainingstage durchführen | 4 x 6 Stunden = 24 Stunden |
Kostümprobe Marsch | 2 Stunden |
Kostümanpassung Marsch | 5 Stunden |
Budgetplanung | 2 Stunden |
Kostümauswahl Show | 3 Stunden |
Kostümerstellung Show | 20-30 Stunden |
Teilnahme an Vereinssitzungen | 6-10 Stunden |
Kommunikation mit Eltern | 5 Stunden |
Bestellungen Strumpfhosen & Schuhe (inkl. Anprobe und ggf. Retouren) | 5 Stunden |
Weihnachtsgeschenke besorgen | 2-5 Stunden |
Weihnachtsfeier planen und durchführen | 4 Stunden |
Und diese Liste ist sicherlich noch nicht vollständig. Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, die Stunden auf den Monat herunterzurechnen. Dann kommt man auf gut 30 Stunden pro Monat, also 7,5 Stunden pro Woche. Das ist fast ein Minijob – natürlich unbezahlt.
Jung-Trainer:innen begeistern
Wer diese ganzen Aufgaben sieht wird sich nicht mehr die Frage stellen, warum sich so wenige Freiwillige für den Trainerjob finden. Es ist einfach sau viel Arbeit. Doch bringt es auch nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Vielmehr sollten wir uns fragen: Wie können wir das Traineramt attraktiver gestalten?
Und, ja: Das gibt es einige Möglichkeiten, welche sich auch schon ohne finanzielle Anreize umsetzen lassen. Fangen wir also erstmal klein an. Stichwort: Anerkennung.
Anerkennung des Traineramtes
Ich zähle mich selbst noch zur „alten“ Generation der Gardetrainerinnen. Ich mache es aus einem Selbstzweck, weil es mir Spaß macht und ich Freude daran habe, die Kinder zu trainieren. Und doch: Auch mich macht es verdammt glücklich, wenn das Engagement und die Leidenschaft, welche ich in diese Tätigkeit stecke, „gesehen“ wird.
Das allererste, was Vereine und Vorstände tun können: Interesse zeigen. Ja – so einfach ist das. Ehrliches und ernsthaftes Interesse an der Arbeit der Trainerinnen und Trainer zeigen. Zuhören, wenn diese vom Training berichten. Sorgen und Nöte ernst nehmen. Gemeinsam Lösungen finden. Mal im Training vorbeikommen und ernsthaft Fragen: „Und, wie läufts? Wie können wir euch helfen? Danke, dass ihr den Job macht.“.
DAS ALLEIN IST SCHON ANERKENNUNG. Und würde vielen der aktuell aktiven Trainer:innen SO SO gut tun. Und das kostet nichts – nichts außer ein bisschen Zeit. Und es führt dazu, dass die Trainer und Trainerinnen ihren Job weitermachen und nicht hinwerfen – wie es leider aktuell so viele tun.
Kleine Geschenke – müssen (gar nicht) sein
Viele Trainer:innen erhalten zum Abschluss der Saison einen Orden. Oder eine Flasche Sekt. Oder einen Blumenstrauß. Das alles ist gut – und vielmehr, als wenn gar nichts kommen würde. Und doch: Ist damit kein ehrlich gemeintes Interesse und ein ehrlicher Dank verbunden, so kann man sich dies auch sparen.
Statt materielle Geschenke habe ich in meiner Community einige Ideen gesammelt für wertschätzende Dankeschöns vom Verein. Diese möchte ich zur Inspiration gern mit euch teilen:
- Helfer-/Ehrenamtsfest: Ein Fest für alle, die sich das Jahr über den Allerwertesten für den Verein aufreißen (und nicht nur einmal am Karnevalsabend hinter der Theke stehen und Bier ausschenken)
- Trainerfahrt: Ein Tages- oder Wochenendausflug gesponsert vom Verein für alle Trainer:innen
- Erlass der Mitgliedsgebühr für Trainer:innen
- Übernahme von Fahrtkosten zur Trainingshalle
- Übernahme von Schulungskosten
- Beteiligung oder Übernahmen von Kosten für Teamausflüge, Weihnachtsfeiern und Geschenken
Klingt einfach? Ist es auch. Aber was glaub ihr, wie viele Trainer:innen nichts bekommen. Wo der Verein nicht einmal den Namen der Trainer:innen kennt? Oder weiß, wie häufig sie in der Halle stehen und üben?
Das ist traurig. Das macht mich wütend. Und das muss sich ändern. Nur so werden die Vereine überleben. Wertschätzung, lautet hier das Stichwort.
Auf aktuelle Gegebenheiten reagieren
Zu der Zeit, in der ich diesen Beitrag schreibe, sind die Spritkosten sehr hoch. Nun stellt man sich vor, eine Trainerin wohnt 30km vom Trainingsort entfernt und fährt zweimal pro Woche zum Training. Macht 120km pro Woche – 480km pro Monat.
In einer guten Welt würde ich mir wünschen, dass ein Verein dies registriert, auf die Trainer:innen zugeht und mit ihnen bespricht, wie man sie bei der Kostenübernahme unterstützen kann. Niemand von uns erwartet fertige Lösungen – aber allein schon das darüber Reden zeigt, das die Trainer einem wichtig sind und man sich darum bemüht, diese zu halten.
Und wer ein wenig Recherche betreibt, findet hier Mittel und Wege, welche extra für Vereine geschaffen wurden. Was uns zum nächsten Punkt bringt: Finanzielle Förderungen.
Finanzielle Förderungen für Vereine und Trainer:innen
Tatsächlich hat unser Staat Möglichkeiten geschaffen, die Mitglieder ehrenamtlicher Vereine finanziell zu unterstützen und die Vereine zu entlasten. Schauen wir uns die Unterstützungen einmal an:
Übungsleiterpauschale
Bei der Übungsleiterpauschale kann der Verein bis zu 3.000 Euro jährlich steuerfrei an seine Trainer:innen auszahlen. Als Übungsleiter gelten auch ehrenamtliche Trainer:innen. Für die Trainer:innen werden auf den Betrag keine Steuern- und Sozialabgaben fällig. Auch für den Verein erfolgt die Auszahlung ohne Sozialversicherungsabgaben.
Wichtig ist allerdings, dass der Verein gemeinnützig sein muss und die Tätigkeit des Vereinsmitglieds einem pädagogischen Zweck dienen muss – das ist bei Gardetrainer:innen der Fall
Quelle: Deutsches Ehrenamt – Die Übungsleiterpauschale
Ehrenamtspauschale
Die Ehrenamtspauschale ist sehr ähnlich aufgebaut. Hier kann der Verein dir bis zu 840 Euro jährlich auszahlen – ebenfalls steuerfrei und sozialabgabenfrei. Die Bedingungen sind hier nicht so eng, sodass jede ehrenamtliche Tätigkeit so vergütet werden kann.
Die Zahlung einer Ehrenamtspauschale muss in der Satzung des Vereins niedergeschrieben werden – nur dann ist diese möglich.
Quelle: Deutsches Ehrenamt – Die Ehrenamtspauschale
Aufwandsspende
Sicher gibt es nun viele Vereine die sagen, dass sie den Trainer:innen nicht zahlen wollen – oder können. Doch auch hier gibt es Möglichkeiten über eine sogenannte Aufwandsspende die Trainer:innen zu unterstützen.
In diesem Fall schließt der Verein mit der Trainerin einen Vertrag, dass er pro Jahr eine Vergütung von X Euro der Trainerin auszahlt – das lässt sich auch in der Satzung festhalten, dann muss nicht mit jedem ein Vertrag geschlossen werden.
Zum Jahresende stellt die Trainerin dann ein Schreiben aus, dass sie auf die Auszahlung verzichtet – und bekommt im Gegenzug vom Verein eine Spendenquittung über den Betrag, welcher ihr entstanden ist (z.B. Fahrtkosten zu Training, Wettkampf, Tagungen, Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten, Kosten für Sport- oder Arbeitskleidung).
Diese Quittung kann die Trainerin dann über ihre Steuererklärung einreichen und sich so das Geld zurückholen.
Jetzt seid ihr dran
Ihr seht, es gibt Mittel und Wege seine Trainer:innen zu unterstützen und ihnen die Anerkennung zu geben, die sie verdienen. Und so das Amt auch für Neulinge attraktiv zu gestalten.
Das ganz war ein sehr emotionaler Beitrag für mich, denn mir selbst liegt der Gardetanz sehr am Herzen und ich finde es supertraurig zu sehen, wie wenige Freiwillige sich noch für das Traineramt finden lassen.
Daher meine Bitte an dich persönlich: Du hast bis hierhin gelesen. Teile diesen Beitrag mit deinem Vorstand, deinem Verein, Eltern – der ganzen Welt. Und lass uns so gemeinsam dafür sorgen, eine Veränderung anzustoßen, um unseren schönen Sport in der Breite halten zu können.
Dafür danke ich dir von Herzen.
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